Von der EN 15038 zur ISO 17100
Die EN 15038 wurde 2015 durch die ISO 17100 abgelöst. Welche Auswirkungen hat dies auf die Übersetzungsprozesse bei Dienstleistern und Auftraggebern.
Seit Mai 2015 liegt die ISO 17100 als Nachfolgenorm der EN 15038 vor. Mit der Einführung stellt sich für Übersetzungsdienstleister und auch für Auftraggeber die Frage, was sich konkret verändert hat und welche Auswirkungen dies in der Praxis hat. Für Übersetzungsdienstleister stellt sich zudem die praktische Frage, welche Auswirkung die neue Norm auf eine Zertifizierung hat.
Die ersten Entwürfe zur Entwicklung der ISO 17100 basierten fast vollständig auf den Texten aus der EN 15038. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Ähnlichkeiten der beiden Normen auch jetzt noch erheblich sind. So sind beide Normen Prozessnormen, d.h. sie definieren nicht die Art oder Güte eines Produktes sondern beschreiben Prozesse und Anforderungen für die Erstellung der Dienstleistung Übersetzung. Dabei ist auch weiterhin zu berücksichtigen, dass die ISO 17100 eine Variante zur Umsetzung von Übersetzungsprozessen beschreibt. Gerade für spezifische Anforderungen können auch von zertifizierten Dienstleistern andere Prozesse angewendet werden.
Als Weiterentwicklung gestartet, unterscheidet sich die ISO 17100 inzwischen deutlich von der EN 15038. Der Aufbau der ISO 17100 bildet den üblichen Abläufen eines Übersetzungsprozesses ab, wodurch auch die Umsetzung in der Praxis erleichtert wird. Es fällt auf, dass an einigen Stellen der Norm keine konkreten Vorgaben für die Art der Umsetzung gemacht werden, sondern der Übersetzungsdienstleister aufgefordert ist, hier eigene Standards zu setzen.
Handlungsbedarf für eine Umsetzung und/oder Zertifizierung von Dienstleistern ergeben sich u.a. in folgenden Bereichen:
- Qualifikation der Projektmanager
- Qualifikation der Übersetzer und Revisoren
- Projektanalyse und -vorbereitung
- Informationssicherheit
- Feedback-Prozesse
- Projektabschluss und Archivierung
Für Auftraggeber bringt die ISO 17100 wichtige Verbesserungen und auch neue Herausforderungen. Die ISO 17100 definiert nicht in allen Bereichen vorgegebene Standards. Übersetzungsdienstleister können und müssen bspw. die Anforderungen an das Projektmanagement oder die Informationssicherheit selbst analysieren und eine eigene Antwort auf entsprechende Anforderungen finden. Für Auftraggeber bedeutet dies, dass sie selbst prüfen müssen, ob die Antworten des Dienstleisters zu den eigenen Anforderungen passen.
Ein wichtiger Punkt ist die geforderte Projektanalyse und -vorbereitung. In der Praxis dürfte es schwer sein, diesen Punkt umzusetzen, da er ja zumeist bereits zur Angebotskalkulation erfolgt sein muss, es zu diesem Zeitpunkt aber noch keinen bezahlten Aufrag gibt. Hier sollten Auftraggeber selbst vorgreifen und ihre Anfragen besser vorbereiten. Dies bedeutet bspw. dass sie eine Angabe der Textsorte, der anzuwendenden Stilrichtlinien für die Übersetzung und vor allen die zu verwendende Terminologie bereit stellen. Alternativ kann die Analyse und Vorbereitung von Übersetzungsprojekten auch als separater Auftrag umgesetzt werden.
Entsprechend stellt sich die Situation im Bereich Informationssicherheit dar. Dienstleister werden zukünftig zunehmend Auskunft darüber geben müssen, welche Standards im sie im Bereich Informationssicherheit einhalten können. Auftraggeber können dann selbst entscheiden, ob diese Standards ihren Anforderungen an Vertraulichkeit und Geheimhaltung für die jeweiligen Dokumente genügen.
Insgesamt ist die ISO 17100 ein weiterer Schritt zu mehr Qualität und Transparenz im Übersetzungsprozess.