Fünf Tücken der Lokalisierung und einige Tipps, wie man sie vermeidet

Lee Densmer Lee Densmer 28. Sept. 2020
Fünf Tücken der Lokalisierung und einige Tipps, wie man sie vermeidet
Stark wachsende Unter­nehmen mit inter­nationaler Reich­weite – oder solche, die kurz davor stehen, global tätig zu wer­den – sind unter Um­ständen ge­zwungen, zu han­deln, bevor sie eine wasser­dichte Lo­kalisierungs­strategie aus­arbeiten können. Lo­kalisierung er­folgt nach Be­darf, wenn bei­spiels­weise ein neuer Markt oder eine Produkt­einführung dies er­fordern. Dann heißt es schnell sein. Die Details und eine Strategie aus­zuarbeiten, kann warten. So denken zumindest einige. Leider laufen Marken mit einer so reaktiven Auf­fassung von Lo­kalisierung eher Gefahr, sich in den Fall­stricken einer glo­balen Ex­pansion ohne richtige Vor­bereitung zu ver­fangen. Im Folgenden stellen wir fünf dieser Tücken und einige Ver­meidungs­taktiken vor.

1. Beharren auf Vorlagen

Bei der Content-Erstellung im großen Maßstab können Vor­lagen oder Templates ex­trem hilf­reich sein. Damit können Sie Web­seiten, E-Mails, Dokumente, Produkt­beschreibungen, ja sogar Blog­beiträge schneller er­stellen, ohne jedes Mal bei Null an­fangen zu müssen. Sich zu sehr auf sie zu ver­lassen, bringt aller­dings Pro­bleme mit sich – insbesondere global gesehen. Möglicher­weise hat die Vor­lage nicht in allen Regionen den­selben Effekt. Zum Bei­spiel müsste sich eine Web­seite für China hin­sichtlich der Benutzer­führung stark von dem unter­scheiden, was wir in der west­lichen Welt ge­wöhnt sind. Bedeutet das, dass Vor­lagen nur kleinen Unter­nehmen nützen? Nicht un­bedingt. Ihnen ste­hen zwei Op­tionen offen. Wenn stark unter­schiedliche Content-Präferenzen zu be­rück­sichtigen sind (wie im obigen Bei­spiel), müssen Sie unter Um­ständen regional­spezifische Vor­lagen für Web­seiten ent­wickeln. Dies ist na­türlich zeit­aufwendig. Daher wäre es viel­leicht sinn­voll, erst ein­mal nur für die um­satz­stärksten Märkte Vor­lagen zu er­stellen. In anderen Fällen reichen einige An­passungen der im Ein­satz be­findlichen glob­alen Web­site-Vorlage. Grund­voraussetzung ist jeden­falls eine mög­lichst ein­fache, gut orga­nisierte und da­durch lo­kalisierbare Stamm­vorlage. Nach­folgend einige Beispiele:
  • Einfache Formatierung: Während sich For­matierungs­optionen wie Farben, Fett- und Kursiv­schrift sowie Listen leicht in einer Über­setzung über­nehmen lassen, ist der Auf­wand für die Lokalisierung von Elementen wie Bil­der und Tabellen er­heblich größer.
  • Platz lassen: Dadurch lässt sich die Content-Formatierung bei der Über­setzung leichter bei­behalten. Die meisten Sprachen be­nötigen mehr Platz als bei­spiels­weise Englisch und daher auch Raum zum „Wachsen“.
  • Unicode-Standardschriftart auswählen: Zum Beispiel Arial oder Times New Roman. Nicht alle Schrift­arten unter­stützen Akzent­zeichen, Um­laute oder andere sprach­spezifische Sonder­zeichen.

2. Vernachlässigen von Nurturing-Kampagnen

Marken, die ihre inter­nationale Präsenz aus­weiten möchten, lo­kalisieren in der Regel zuerst den eigent­lichen Content. Doch das ist nur ein Teil des Ganzen. Genauso wie Sie Customer Journeys und Nurturing-Programme rund um den Con­tent zur Marke mit einem ganz­heitlichen An­satz ent­wickeln, soll­ten Sie auch an die Lo­kalisierung heran­gehen. Das heißt, auch die an­deren Elemente des glo­balen digitalen Marketings – E-Mail-Kampagnen, Landing Pages, Social-Media-Beiträge und so weiter – müssen ebenso sorg­fältig lo­kalisiert wer­den wie der Content, von dem sie handeln. Durch die Optimierung Ihrer Nurturing-Kampagnen für ver­schiedene Regionen wird Ihr verkaufs­fördernder Content besser nutzbar. Sobald alle Komponenten vorliegen – zum Beispiel eine Serie von E-Mails, die Kunden zum Herunter­laden eines E-Books animieren sollen, oder die Nach­bereitung eines Webinars –, können Sie sie einfach replizieren und die Kampagne an jeden einzelnen Markt an­passen. Der Marketing­trichter selbst muss nicht ge­ändert werden, nur die Sprache und kultur­spezifische Bereit­stellung der Elemente. Im Zuge dessen müssten Sie auch entscheiden, wie die Lokalisierung der Elemente im Hin­blick auf die Qualität und das Budget an­gemessen zu be­werk­stelligen ist. Eine ein­fache Seite, die Ihren Dank für den Down­load aus­drückt, er­fordert eventuell nur maschinelle Über­setzung. Die Landing Page, die den Pro­zess über­haupt erst an­stößt, er­fordert da­gegen schon eher manuell gene­rierten Content (möglicher­weise Transkreation), damit sich die Leser zum Handeln auf­gefordert fühlen. Sind alle Elemente und Lokalisierungs­methoden erst einmal detailliert fest­gelegt, zeigt sich besser, was lokalisiert werden muss und wie. Ihnen ent­geht nichts mehr. Diese Checkliste für das sprach­übergreifende digitale Marketing hilft Ihnen dabei, die für den je­weiligen Content richtige Vor­gehens­weise zu wählen. Außer­dem er­fahren Sie darin mehr über die Priorisierung von Content und weitere Aspekte für eine erfolg­reiche Markt­einführung.

3. Ignorieren von Sprachvarianten

Eigentlich sollte es nicht so schwer sein, doch er­staunlich viele Marken ver­schenken Sympathien, weil sie glauben, eine Ziel­sprache sei völlig homogen. Tat­sächlich sind die meisten Sprachen viel nuancierter als etwa Englisch. Ein gutes Beispiel ist Spanisch. Spanisch be­steht aus vielen Varianten und Dialekten, sogar innerhalb einzelner spanisch­sprachiger Regionen. Schon allein Latein­amerika ist ein Schmelz­tiegel der Kulturen, in denen sich die Ein­flüsse diverser indigener und euro­päischer Sprachen zeigen. Zudem sind in einigen spanisch­sprachigen Ländern auch völlig andere Sprachen be­heimatet. Katalanisch in Spanien ist ein Beispiel hierfür. Wenn Sie annehmen, Spanisch sei die Standard- und Verkehrs­sprache in allen Teilen Spaniens oder in allen Regionen identisch, dann riskieren Sie, es sich mit po­tenziellen Kunden zu ver­scherzen. Deshalb sollten Sie sich unbedingt informieren. Finden Sie zu­nächst heraus, welche Va­rianten Ihnen bei po­tenziellen Kun­den be­gegnen können, und dann, ob es sinn­voll ist, in diese Varianten zu lo­kalisieren. Es gilt die Faust­regel: Je weniger kreativ oder länder­spezifisch der Content ist, desto eher kommen Sie mit der Standard­variante der Ziel­sprache „davon“. Bei Marketing- oder stark marken­spezifischem Content ist der All-in-One-Ansatz zu riskant. Sie sollten auf die sprach­lichen Varianten der Kunden eingehen, um tiefer­gehende Be­ziehungen zu er­möglichen. Wenn Sie gern mehr Informationen zur idealen Ansprache latein­amerikanischer, mexi­kanischer, spanischer usw. Ziel­gruppen hätten, hilft Ihnen unser E-Book zum Umgang mit spanischen Dialekten sicher weiter.

4. Technologisch unflexibel sein

Ja, Technologie ist effektiv und wird bei der hoch­wertigen Lo­kalisierung großer Content-Mengen zu­nehmend wichtiger, doch Sie sollten sie nicht als Selbst­läufer be­trachten. Eine solche Vorgehens­weise birgt das Risiko, dass Sie zu viel Ver­trauen (und Geld) allein in Technologie in­vestieren, nur um später fest­zustellen, dass sie unter Druck nicht stand­hält. Was wäre, wenn Ihr lang­jähriges Translation-Management-System nicht mit dem neuen Firmen-CMS kompatibel ist? Denken Sie statt­dessen darüber nach, welche Technologie Sie aktuell be­nötigen und wie sich diese An­forderungen ge­meinsam mit Ihrem Lo­kalisierungs­projekt und den all­gemeinen Geschäfts­zielen ent­wickeln könnten. Anders gesagt: Wenn Sie sich schon auf Tools ver­lassen müssen, sollten diese wenigstens skalierbar sein. Wenn Sie mit dem Ge­danken spielen, mittels Technologie in der Lo­kalisierungs­strategie dafür zu sorgen, dass Ihre Lösung heute und morgen zu Ihnen passt, dann fragen Sie zum Beispiel Folgendes:
  • Welche Arten von Technologie können mein aktuelles Lo­kalisierungs­potenzial vergrößern?
  • Welche Mischung aus maschineller und menschlicher Intelligenz werden wir in Zu­kunft brauchen?
  • Welche neuen Fähigkeiten werden wir für den Um­gang mit dieser Mischung benötigen?
  • Unsere Strategien entwickeln sich weiter – welche Strukturen werden uns helfen, stets die besten Produkte und Inhalte zu liefern?
Tipp: Ihr Sprachdienstleister kann Ihnen dabei helfen, zukünftige Anforderungen zu prognostizieren und aktuelle zu priorisieren. Bis dahin kann Ihnen vielleicht unser E-Book Getting Started with AI for Localization weiterhelfen.

5. Lokalisierung für eine einmalige Aufgabe halten

Kleine Unternehmen mit sehr wenig Content, der lo­kalisiert werden muss, können sich vielleicht Spontanität bei der Lokalisierung erlauben – also einen ein­zelnen Auf­trag an einen Lieferanten aus­zulagern, an­statt jemanden ein Projekt mit­samt Tools, Qualitäts­sicherungs­prozessen und KPIs kon­zipieren zu lassen. Für Marken mit großer Reichweite wäre dieses Vor­gehen jedoch ein Desaster mit An­kündigung. Weiter oben nannten wir solche Einzel­aufträge eine re­aktive Auf­fassung von Lokalisierung – und diese birgt alle mög­lichen Risiken. Wenn Sie Lokalisierung als periphere Auf­gabe be­trachten, weisen sie ihr im Unter­nehmen die Rolle einer un­liebsamen Kosten­stelle zu. Mehr noch: Wenn Kunden erst nach Content in der eigenen Sprache ver­langen müssen, weil Sie ihn nicht von sich aus bereit­stellen, könnten sowohl die Re­putation Ihrer Marke als auch das Ge­schäfts­ergebnis leiden. Die oben erläuterten Tücken ver­meiden Sie mit einem intelligenteren, strategischeren An­satz. Viel­leicht er­scheint es Ihnen un­realistisch, globalen Content pro­aktiv zu ver­öffentlichen, doch das ist es ganz und gar nicht – sofern Sie einen ganz­heitlichen Lo­kalisierungs­ansatz verfolgen. Im Go Global-Modell von RWS Moravia wird er erläutert. Mehr er­fahren Sie auf un­serer neu ge­stalteten, interaktiven Seite, die Sie Schritt für Schritt durch unser Modell führt. Selbst­verständlich bleiben Versuch und Irrtum nicht aus, wenn Unter­nehmen ihre globale Präsenz aus­weiten. Zudem haben wir die Tücken, die bei der Lo­kalisierung drohen, hier auch nur ge­streift – und es gibt durch­aus weitere. Ein um­fassender An­satz wird dieses Risiko jedoch minimieren. Bis dahin können Sie uns gerne jeder­zeit kontaktieren, um über Ihre Lo­kalisierungs­strategie zu sprechen.
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Lee Densmer

Lee Densmer ist seit 2001 in der Lokalisierungsbranche tätig. Sie begann als Projektmanagerin und wechselte dann zu Lösungsarchitektur und Marketing-Management. Wie viele Lokalisierungsexperten kam auch sie durch ihr Sprachinteresse und ihre linguistische Ausbildung zu diesem Bereich. Sie hat einen Master-Abschluss in Linguistik von der University of Colorado. Lee Densmer lebt in Idaho und unternimmt gern Auslandsreisen und Ausflüge in die umliegenden Berge.
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