Wie TikTok zur globalen Expansion Ihrer Marke beitragen kann

Lee Densmer Lee Densmer 01. Juli 2020
Wie TikTok zur globalen Expansion Ihrer Marke beitragen kann
Im Juni 2020 machte TikTok Schlagzeilen, als die chinesische App neben anderen aufgrund von Bedenken zur Daten­sicherheit in Indien ver­boten wurde. Dies war zwar ein Rück­schlag für den in Peking an­sässigen Her­steller ByteDance, zeigte aber zu­gleich dessen Ambitionen und globale Reich­weite auf – und angesichts dieser Reich­weite ist TikTok für Marketing­experten durchaus immer noch interessant. Immerhin haben nur wenige Technologie-Start-ups so schnell den Welt­markt erobert wie ByteDance mit TikTok. Die beliebte Video-App ver­zeichnet bereits über zwei Milliarden Downloads in mehr als 150 Ländern. Gerade jetzt, während der COVID-19-Pandemie, die das öffent­liche Leben stark ein­schränkt, nutzen viele Menschen TikTok als Mittel zur Ab­lenkung und Unter­haltung in den eigenen vier Wänden. Wohl auch deshalb wurde die App allein im ersten Quartal 2020 rund 315 Millionen Mal heruntergeladen. Auch globale Marken sind auf die steigende Be­liebtheit von TikTok auf­merksam ge­worden und nutzen die App als Plattform für ihr Marketing. 2020 dürfte TikTok allein in den USA rund 500 Millionen US-Dollar Umsatz erzielt haben – ein starkes Indiz für das Interesse an der Plattform auch außerhalb des chinesischen Heimat­marktes. Dementsprechend hat TikTok seine Werbe­angebote er­weitert, sodass Marken nun mehr Optionen haben, ihre Kunden zu er­reichen. Seit Kurzem gibt es die Plattform TikTok for Business, die alle aktuellen und künftigen Marketing­lösungen zusammen­führen wird. Bevor wir uns ansehen, wie wichtig TikTok mittler­weile auf der inter­nationalen Bühne ist, werfen wir einen Blick auf seine Anfänge.

TikTok: ein kurzer historischer Abriss

ByteDance wurde 2012 von Zhang Yiming in China gegründet. Im Jahr 2016 führte das Unternehmen auf dem chinesischen Markt die App Douyin ein. Sie ähnelt TikTok, nutzt aber einen anderen Server und hat Content-Beschränkungen im Einklang mit den chinesischen Zensur­vorschriften. Innerhalb eines Jahres nach dem Start hatte Douyin 100 Millionen Benutzer und 1 Milliarde Videoaufrufe – pro Tag. 2017 startete TikTok für iOS- und Android-Geräte in den meisten Märkten außer­halb Chinas. Benutzer in den USA mussten sich aller­dings noch bis 2018 gedulden, nachdem die Über­nahme von Musical.ly durch ByteDance für rund 1 Milliarde US-Dollar ab­geschlossen war. Musical.ly war eine Social-Media-Videoplattform, auf der Benutzer kurze Musik- und Comedy-Clips er­stellen konnten. Das Unter­nehmen hatte seinen Sitz in Shanghai, aber auch eine Nieder­lassung in Kalifornien. Durch die Über­nahme von Musical.ly konnte TikTok auch dessen Benutzer in den USA für sich gewinnen. Nach dem Zusammen­schluss beider Unternehmen wurden alle Benutzer­konten in der neuen TikTok-App zusammengeführt. Im Mai 2020 übernahm Disneys führender Streaming-Manager, Kevin Mayer, als CEO von TikTok. Mayer war auch Chief Operating Officer von ByteDance, während Unternehmens­gründer Zhang Yiming weiterhin CEO von ByteDance bleibt. Mayer arbeitete über 20 Jahre lang bei Disney und spielte dort eine wesent­liche Rolle bei der Über­nahme von Pixar, Marvel, Lucasfilm und 20th Century Fox. Zuletzt war er dort für die Ein­führung des Streaming­dienstes Disney+ ver­antwortlich, den CEO Bob Iger als das wichtigste in seiner Amtszeit ein­geführte Produkt des Unter­nehmens beschrieb. (Update: Mayer trat im August 2020 im Zuge der Aus­einander­setzungen mit der Trump-Administration zurück.) Folglich ist davon aus­zugehen, dass Mayer mit seiner umfang­reichen Er­fahrung die Stellung von TikTok unter den Top-Unterhaltungs­plattformen weiter aus­bauen wird. Außerdem dürfte er mit seinem forschen Führungsstil rasch darauf drängen, den TikTok-Content zu erweitern. Der Unternehmenswert von ByteDance beträgt inzwischen schon über 100 Milliarden US-Dollar, ein weltweiter Spitzenwert unter privaten Unternehmen.

Globale Wachstumsaussichten

ByteDance ist mit Douyin vor allem in China stark vertreten, hinzu kommt TikTok in anderen globalen Märkten. Allerdings stammt der Löwenanteil des TikTok-Umsatzes nur aus einigen wenigen Ländern, darunter Indien, Brasilien, Deutschland und die USA. Einigen Schätzungen zufolge kommen rund 42 % des gesamten Umsatzes aus den USA, während die größte Anzahl an Benutzern in Indien zu finden ist (oder war – vor dem Verbot Ende Juni 2020). Der Schlüssel zu künftigem Wachstum liegt für TikTok darin, seine Präsenz auf anderen Märkten auszubauen. Immerhin hat die Plattform starke Konkurrenz durch YouTube, Instagram, Facebook, Google und andere Anbieter. Hier einige Vergleichszahlen:
  • YouTube verzeichnet monatlich über 2 Milliarden aktive Benutzer, hat sein Angebot für 91 Länder lokalisiert und steht in über 80 Sprachen zur Verfügung. Seine wichtigsten Märkte sind die USA, Indien, Japan, Russland und China.
  • Auch Instagram gibt es fast überall auf der Welt. Seine größten Märkte sind die USA und Indien, gefolgt von Brasilien, Indonesien, Russland, der Türkei, Japan, Mexiko und Großbritannien.
  • Facebook ist in über 100 Sprachen verfügbar. Benutzer aus den USA und Kanada machen jedoch lediglich 10 % der Gesamtnutzerzahl aus, über 90 % stammen größtenteils aus Asien, Europa und Afrika.
Ein Kernmarkt für TikTok ist Afrika. Laut Quartz Africa dringt die App derzeit massiv auf den kenianischen, nigerianischen und südafrikanischen Markt vor, indem sie YouTube und Instagram schon im Vorfeld seiner groß­flächigen Ein­führung in Afrika Content-Ersteller wegschnappt. Auch latein­amerikanische Länder wie Mexiko werden sich zu Schlüssel­märkten ent­wickeln. Facebook versucht sogar, der TikTok-Expansion in Mexiko mit einer neuen App namens Lasso entgegenzuwirken. Und letztlich wird TikTok auch vom an­haltenden Wachstum in asiatischen Ländern außerhalb Chinas und in einigen wichtigen euro­päischen Märkten profitieren.

TikTok for Business und TikTok-Werbeformate

Am 25. Juni 2020 gab TikTok den Start von TikTok for Business bekannt, einem neuen, zentralen Portal zur Planung und Verwaltung von Werbe­kampagnen. Früher mussten Marken, die Werbung schalten wollten, erst Kontakt zu einem Vertreter aufnehmen und einen Insertions­auftrag unter­zeichnen. Das Fehlen einer Selbst­bedienungs­plattform ließ jedoch viele Marken im Unklaren darüber, welche Werbe­formen auf TikTok zur Verfügung stehen und welche Ziel­gruppen sie damit erreichen können. Mit TikTok for Business hat sich dies geändert: Alle Werbe­anzeigen lassen sich nun zentral verwalten. Über die neue Plattform stehen alle fünf Typen von TikTok-Werbung bereit:
  • TopView-Anzeigen werden beim Öffnen der App zwischen 3 und 60 Sekunden lang angezeigt.
  • Brand Takeovers sind drei bis fünf Sekunden lange Video- oder Bild­anzeigen, die beim Öffnen der App anstelle eines Benutzer-Postings angezeigt werden.
  • In-Feed Videos werden im Für-Dich-Feed in voller Bildschirm­größe angezeigt und dauern bis zu 60 Sekunden.
  • Bei Hashtag Challenges bewerben Marken ihre Produkte oder Anliegen mit einem Hashtag, Benutzer können darauf mit selbst erstellten oder anderen Videos reagieren. Mit einem Feature namens Hashtag Challenge Plus lassen sich Shopping-Funktionen ergänzen.
  • Branded Effects sind Anzeigen, die Marken direkt in Content einblenden können, sei es in 2D, 3D oder als erweiterte Realität (Augmented Reality, AR). Der AR-Effekt wird auch als „Branded Scan“ bezeichnet.
Parallel zu TikTok for Business wurde auch ein neues E-Learning-Tool eingeführt. Darin können Marketing­experten mehr über TikTok und dessen Werbe­optionen erfahren oder Hilfe zum Start einer erfolg­reichen Werbekampagne finden. Zu guter Letzt hat TikTok bekannt gegeben, dass es in mehreren Märkten seine neue Plattform Creator Marketplace testet. Diese befindet sich seit 2019 in der Entwicklung und soll es Marken ermöglichen, führende Content-Ersteller zu finden und mit ihnen an bezahlten Werbe­kampagnen zusammen­zuarbeiten. Lottie Moor, ein führendes Mitglied des TikTok Creator Partnership-Teams, gab kürzlich in „LIVE with TikTok“ einen interessanten Über­blick über die Zusammen­arbeit der App mit Content-Erstellern. Die Folge steht hier zum Abruf bereit. Mit dem Start von TikTok for Business, der Weiterentwicklung des Creator Marketplace und der Einführung verschiedener Werbeformate positioniert sich TikTok zunehmend als ernstzunehmende Marketingplattform.

Ein Blick in die Zukunft

TikToks rasanter Aufstieg am Social-Media-Himmel verändert die Art und Weise, wie Benutzer Content abrufen und damit inter­agieren. Zugleich ist damit ein neuer und zu­nehmend wichtiger Marketing-Kanal ent­standen, den Marken nutzen können, um potenzielle Kunden welt­weit zu er­reichen. Allerdings erzielt TikTok den Großteil seines Umsatzes bislang in nur wenigen Ländern, obwohl die App in über 150 Ländern und mehr als 75 Sprachen verfügbar ist. Marken, die ihre globale Präsenz mithilfe sozialer Medien ausbauen möchten, sollten daher TikToks weitere Entwicklung in neuen Märkten im Blick behalten.
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Autor

Lee Densmer

Lee Densmer ist seit 2001 in der Lokalisierungsbranche tätig. Sie begann als Projektmanagerin und wechselte dann zu Lösungsarchitektur und Marketing-Management. Wie viele Lokalisierungsexperten kam auch sie durch ihr Sprachinteresse und ihre linguistische Ausbildung zu diesem Bereich. Sie hat einen Master-Abschluss in Linguistik von der University of Colorado. Lee Densmer lebt in Idaho und unternimmt gern Auslandsreisen und Ausflüge in die umliegenden Berge.
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