Was Sie über Softwarelokalisierung wissen sollten
07. Dez. 2020


Softwareunternehmen mit internationaler Präsenz müssen sicherstellen, dass ihre Produkte Benutzern in Märkten mit anderen Sprachen ein gutes Benutzungserlebnis bieten. Die Software muss an die jeweiligen kulturellen, sprachlichen und sozialen Anforderungen der Zielgruppen und -regionen angepasst werden.
Einfach gesagt: Wollen Sie viele neue Benutzer gewinnen, können Sie es sich nicht leisten, einen großen Teil Ihrer digitalen Zielgruppe zu vergraulen, indem Sie sprachliche Unterschiede und besondere Erwartungen an das Benutzungserlebnis ignorieren.
Die Lokalisierung von Software bringt allerdings ganz besondere Herausforderungen für Software-Releases mit sich. Zum Glück lässt sich der Lokalisierungsprozess so gestalten, dass Markteinführungstermine minimiert, die Kosten optimiert und eine teamübergreifende Zusammenarbeit gewährleistet wird. Möglich ist dies mit den richtigen Tools.
Doch immer der Reihe nach: Wir beginnen mit den Grundlagen.
Was ist Softwarelokalisierung
Softwarelokalisierung ist der Prozess der Übersetzung von sprachlichen Elementen einer Software in verschiedene Sprachen, wobei mit Blick auf Benutzer in aller Welt kulturelle Besonderheiten zu berücksichtigen und notwendige technische und juristische Anpassungen vorzunehmen sind. Es geht also um mehr als nur um die Übersetzung von Texten. Auch kulturelle und länderspezifische Aspekte der Zielsprache müssen beachtet werden, etwa orthografische und lexikalische Eigenheiten, das richtige Datums- und Uhrzeitformat, Währungsunterschiede und kulturell sensible Grafiken, um nur einige Beispiele zu nennen. Dementsprechend ist die Softwarelokalisierung ein recht langwieriger und komplexer Prozess, bei dem nicht einfach bloß das Wort „Willkommen“ in 150 Sprachen übersetzt wird. Übrigens gibt es deutliche Unterschiede zwischen Softwarelokalisierung und Internationalisierung, obwohl sich beide Prozesse gegenseitig ergänzen. Die Internationalisierung sollte der Softwarelokalisierung jedoch immer vorausgehen.Wirtschaftlicher Nutzen
Bestimmt haben Sie schon einmal von Revolut gehört, einem britischen Unternehmen aus dem Bereich der Finanztechnologie. Revolut ist es gelungen, in nur fünf Jahren einen weltweiten Benutzerstamm von über 8 Millionen Anwendern aufzubauen und seine App in über 30 Sprachen bereitzustellen. Es begann mit einem kleinen Start-up, das sein Produkt jedoch rasch für verschiedene Länder und Zielgruppen lokalisierte und damit seine globale Präsenz erweiterte. Dies ermöglichte es Revolut, sich einen relevanten Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, verschiedene Altersgruppen zu erreichen und seinen Marktanteil zu erhöhen.Herausforderungen für Entwickler bei der Lokalisierung
Wenn Sie als Entwickler in den Prozess der Softwarelokalisierung eingebunden sind, werden Sie sich wahrscheinlich mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert sehen. Oft stoßen Entwickler auf Schwierigkeiten wie diese:- Synchronisieren mehrerer Translation-Management-Systeme (TMS) und des Code Repository
- korrektes Herunterladen der Übersetzungsdateien (im richtigen Format und mit der richtigen Struktur) und Überwachung von Änderungen
- Erkennen doppelter Übersetzungen
- effektiver Umgang mit Pluralschlüsseln und Platzhaltern
- parallele Bearbeitung unterschiedlicher Features durch die Übersetzungsteams
- Bereitstellen von Kontext für die Übersetzer
- Übersetzungsvorschau in der Designphase
Workflows für Softwarelokalisierung
Auch wenn es einfach erscheint, kann die Lösung von Lokalisierungsproblemen große Herausforderungen mit sich bringen und erfordert daher die Expertise von Lokalisierungsexperten. Im Idealfall sollte das Entwicklungsteam den vorangehenden Internationalisierungsprozess überwachen und jederzeit bereitstehen, um Unterstützung zu leisten. Mittlerweile sind die Softwarelokalisierungs-Workflows weit vorangeschritten, vom klassischen Wasserfallmodell bis zur kontinuierlichen Lokalisierung.Lokalisierung nach dem Wasserfallmodell
Traditionelle Lokalisierungs-Workflows folgen meist dem Wasserfallmodell, das aus aufeinanderfolgenden Phasen oder Schritten besteht. Demnach muss immer erst eine Phase abgeschlossen sein, bevor die nächste anlaufen kann. Die Lokalisierung beginnt daher in diesem Szenario erst nach der Fertigstellung des Codes und der Freigabe des Produkts. Die von Übersetzern und Lokalisierungsexperten übersetzten Softwaretext-Abschnitte, Strings genannt, werden dann zurück an das Entwicklerteam geleitet. Dieses übernimmt dann manuell die Übersetzungen und pflegt sie in die Software ein.Agile Lokalisierung
Bei der agilen Lokalisierung arbeiten die Entwicklungs- und Lokalisierungsteams parallel. Die Lokalisierung und Übersetzung der Strings erfolgt in sogenannten Sprints. Da die Übersetzungen in kleinen Chargen ausgeführt wird, können potenzielle Probleme früher und schneller behoben werden. Wie sieht dies nun in der Realität aus, wenn dazu das richtige Tool zum Einsatz kommt. Zunächst lädt ein Entwickler neuen Code in die Projektdatenbank. Die Lokalisierungssoftware erkennt automatisch neue oder geänderte Strings und benachrichtigt das Übersetzungsteam. Dieses bearbeitet die Texte, die anschließend vom Team für die linguistische Qualitätssicherung geprüft werden. Die fertigen Übersetzungen gehen zurück an das Entwicklerteam. Alle diese Schritte sind so aufeinander abgestimmt, dass die Übersetzungen rechtzeitig zum Release der Software bereitstehen. Da diese kleinen Übersetzungsschritte rasch aufeinanderfolgen, nennt man sie auch treffenderweise „Sprints“.Kontinuierliche Lokalisierung
Auch bei der kontinuierlichen Lokalisierung laufen Entwicklungs- und Lokalisierungsprozesse simultan ab. Doch während beim agilen Modell mit einzelnen Sprints gearbeitet wird, gibt es bei der kontinuierlichen Lokalisierung gewissermaßen nur einen durchgehenden Sprint. Dies bedeutet, dass die Anbieter von Lokalisierungsservices den Content bearbeiten, sobald er von den Softwareentwicklungsteams bereitgestellt wird. Jedes Team hat dabei immer im Blick, woran das andere Team gerade arbeitet. Der subtile Unterschied zwischen agiler und kontinuierlicher Lokalisierung lässt sich so beschreiben: Bei der kontinuierlichen Lokalisierung steht der Content immer zur Freigabe bereit, bei der agilen Lokalisierung muss hingegen erst das Ende des Sprints abgewartet werden. Durch den kontinuierlichen Ansatz verkürzt sich in der Regel die Durchlaufzeit der Übersetzung. Die Lokalisierung wirkt sich dabei nicht auf den Entwicklungsprozess aus. Dies ermöglicht schnellere Freigaben, die sogar mehrmals am Tag stattfinden können. So kann das Produkt schneller und ohne Verzögerungen an die Benutzer geliefert werden. Angesichts dieser Vorteile setzt sich die kontinuierliche Lokalisierung allmählich als bevorzugter Workflow durch.Das richtige Lokalisierungstool für Ihren Softwareentwicklungs-Workflow
Viele Unternehmen verlassen sich für die Softwarelokalisierung immer noch auf Tabellenkalkulationsprogramme, obwohl der Umstieg auf ein TMS die Produktivität um 75 % erhöhen kann. Eine gute Möglichkeit, den Softwarelokalisierungsprozess zu optimieren, besteht darin, Teammitglieder mit den richtigen Tools funktionsübergreifend zusammenarbeiten zu lassen. Tabellen in Tabellenkalkulationsprogrammen sind zwar nützlich für numerische Darstellungen und Datenanalysen, aber für die Verwaltung von Übersetzungen sind sie weniger gut geeignet. Hat man das Lokalisierungsteam erst einmal in das Entwicklungsteam integriert, steht einer kontinuierlichen Lokalisierung mit all ihren Vorteilen nichts mehr im Wege. Falls Sie für die Lokalisierungssoftware verschiedene Optionen erwägen, haben wir hier einige Entscheidungshilfen für Sie:- Suchen Sie nach Lösungen, mit denen Sie möglichst viel automatisieren können. Mit Funktionen zur Automatisierung des Workflows können Sie Leerlaufzeiten minimieren und zugleich die Markteinführungszeit verkürzen.
- Ermitteln Sie die Anforderungen der Entwickler. Ideal ist eine Lösung, die Code-Repository-Integrationen bietet, Funktionen zur Unterstützung komplexer Lieferketten umfasst (z. B. Webhooks oder APIs) und einen angemessenen Umgang mit Key-Referenzen, Platzhaltern usw. ermöglicht.
- Wählen Sie eine Lösung, die die Zusammenarbeit fördert. Überlegen Sie sich, welche verschiedenen Rollen im Lokalisierungsprozess zusammenwirken und wie die potenzielle Lokalisierungssoftware die Anforderungen dieser Rollen erfüllen kann.
- Berücksichtigen Sie die Speicherqualität. Softwareentwickler bevorzugen in der Regel eine sichere, cloudbasierte Lokalisierungssoftware.
- Scheuen Sie sich nicht, Fragen zu stellen. Der potenzielle Anbieter sollte eigens abgestellte Produktexperten haben, die Ihnen Best Practices für Ihren Workflow empfehlen können.
Wichtige Tipps zur Softwarelokalisierung
Vielleicht kennen Sie dieses Sprichwort: Eine Kette ist immer nur so stark wie das schwächste Glied. Die Lokalisierungssoftware ist zwar ein nützliches Hilfsmittel, doch damit die Kette nicht reißt, müssen auch alle anderen Glieder der Prozesskette entsprechend robust sein. Sobald die Entwickler die Internationalisierung abgeschlossen haben, geht es mit den nächsten Schritten weiter – nun erst folgt die eigentliche Lokalisierung. Dabei sollten Sie folgende Ratschläge beherzigen:- Richten Sie den Lokalisierungsprozess so ein, dass er schon in der Designphase beginnt. Mit den richtigen Integrationen kann dieser vorausschauende Ansatz die Markteinführungszeit signifikant verkürzen.
- Passen Sie Bilder, Grafiken und Emojis an unterschiedliche Kulturen an. Das verwendete Bildmaterial darf in der Zielkultur nicht unangenehm auffallen.
- Streben Sie nach Präzision. Je mehr Sie auf die sprachlichen und kulturellen Erwartungen der Zielgruppen eingehen, desto besser wird Ihr Softwareprodukt ankommen.
- Verwenden Sie einen Styleguide. Eine Markenbotschaft in mehreren Sprachen und Märkten einheitlich zu vermitteln, ist gar nicht so einfach. Es wird aber viel einfacher, wenn Sie gewünschte Formulierungen, Informationen zur Zielgruppe, markenspezifische Richtlinien usw. in einem Styleguide festhalten.
Fazit
Die Einbindung eines neuen Lokalisierungstools in Ihren etablierten Workflow zur Softwareentwicklung kann mit einigen Herausforderungen einhergehen. Möglicherweise braucht es dafür ein gewisses Maß an Änderungsmanagement – je nachdem, wie ausgereift der Lokalisierungsprozess Ihres Unternehmens ist. Von Vorteil ist es, wenn das gesamte Team an einem Strang zieht, doch dazu müssen Sie allen Beteiligten die Vorzüge der geplanten Änderungen nahebringen. Ganz wichtig ist in jedem Fall, dass die gewählte Lokalisierungssoftware zu Ihren vorhandenen Prozessen passt oder Ihnen die Einführung neuer Prozesse erleichtert. Die Software sollte die Kommunikation bündeln, die gesamte lokalisierungsbezogene Arbeitslast für die Entwickler rationalisieren, den Entwicklungszyklus bis zur Freigabe beschleunigen und kürzere Lieferfristen für Übersetzungen ermöglichen. Sind alle diese Bedingungen erfüllt, haben Sie die Weichen für maximalen Lokalisierungserfolg gestellt. Wir bedanken uns bei Alex Pereverzevs, Product Lead bei Lokalise, für diesen Beitrag. Der passionierte Technikfan ist bei Lokalise als „Produktguru“ tätig und hilft Kunden dabei, ihre Lokalisierungs-Workflows zu verbessern. In seiner Freizeit reist er gern, außerdem spielt er Fußball und Basketball.RWS Moravia präsentiert Ihnen eine neue Reihe mit Gäste-Blogartikeln, in denen unsere Technologiepartner über den neuesten Stand auf Ihrem jeweiligen Fachgebiet informieren.