Computergestütztes Dolmetschen: das neueste Toolset für Dolmetscher

Lee Densmer Lee Densmer 15. Apr. 2020
Computergestütztes Dolmetschen: das neueste Toolset für Dolmetscher
Computergestütztes Dolmetschen verändert die Arbeitsweise von Dolmetschern. In der Ver­gangenheit haben sie ihre Aufgaben mit folgenden Tools bewältigt:
  • Dolmetscherkonsole – ein elektronisches Bedienfeld in der Dolmetsch­kabine, über das die Dolmetscher zwischen Sprachen wechseln, Kopfhörer anschließen, die Laut­stärke regeln sowie Mikrofone steuern können
  • Glossare zur Unterstützung beim Lernen von Vokabeln, beim Ver­stehen von Konzepten und pro­blematischen Begriffen sowie zur schnelleren Übertragung in die Zielsprache
  • Dolmetsch­plattformen – technische Systeme, die das Dolmetschen per Telefon und Video sowie maschinelles Dolmetschen ermöglichen.
Nun gibt es eine neue Technologie: das computer­gestützte Dolmetschen (Computer-aided Interpretation, CAI). Diese Tools geben Dolmetschern die Möglichkeit, sich auf einen Dolmetsch­einsatz vor­zubereiten, unter­stützen ihn während des Einsatzes und können bei der Nach­bereitung helfen. In erster Linie unterstützen sie eine hohe Dolmetsch­qualität und die Verwendung der korrekten Terminologie. Schauen wir uns nun einmal diese innovative Technologie im Detail an.

Was leisten die Tools?

Tools für computergestütztes Dolmetschen können Übersetzungs­fehler reduzieren, Arbeits­abläufe optimieren, die Pro­duktivität erhöhen und die Qualität während Dolmetsch­einsätzen verbessern. Die Glossarverwaltung ist ein zentraler Schwerpunkt dieser neuen CAI-Tools. Hierdurch unter­stützen sie Dolmetscher vor, während und nach ihren Einsätzen:
  • Vorbereitung von Dolmetscheinsätzen durch die Bereit­stellung einer Datenbank mit Info­material und Tools für das Extrahieren, Lernen und Verstehen der Terminologie sowie der Fähigkeit, Dokumente sofort zusammenzufassen.
  • Unterstützung während des Einsatzes durch den Zugriff auf mehr­sprachige Glossare und die Suche nach ziel­sprachlichen Äquivalenten, wenn den Dolmetschern be­stimmte Aus­drücke nicht mehr einfallen. Die Suche nach Termini kann manuell oder auto­matisch erfolgen (per Spracherkennung).
  • Unterstützung der Nachbereitungsaufgaben des Dolmetschers nach dem Einsatz wie Ver­waltung linguistischer Assets, Qualitäts­evaluation und Berichterstellung.
Weitere Informationen dazu finden Sie in diesem Artikel von CSA.

Wie funktionieren sie?

Wenn Dolmetscher Terminologie wie Eigen­namen oder themenspezifische Konzepte ad hoc übersetzen sollen, können sie schnell ins Straucheln geraten. Hier helfen computergestützte Dolmetsch­tools, da sie dem Dolmetscher Glossar­einträge in Echtzeit auf einem Bildschirm anzeigen können. Sie tun dies, indem sie ge­sprochene Wörter analysieren und Ent­sprechungen finden, die der Dolmetscher möglicher­weise nicht kennt. Dies hilft Dol­metschern, Namen, Bezeichnungen von Organisationen sowie Zahlen im Hand­umdrehen zu über­tragen. CAI-Tools ermöglichen es Dolmetschern, fließende und präzise Übersetzungen zu liefern, da sie die Terminologie bereits im Kopf haben.

Nachteile von CAI

Auch wenn computergestützte Dolmetschtools immer beliebter werden, gibt es noch immer einige Nachteile bei der Anwendung. Eines der größten Defizite dieser Technologie ist, dass die Linguisten einen Begriff in die Datenbank eingeben müssen, um Informationen zu erhalten. Dieser Such­mechanismus kann während der Vor- und Nachbereitung eines Dolmetsch­einsatzes einfach angewendet werden. In der Dolmetsch­kabine hingegen nimmt er wertvolle Zeit in Anspruch, die der Dolmetscher eigentlich braucht, um zuzuhören, das Gesprochene zu verstehen und im Kopf zu übersetzen, die Über­setzung ins Mikrofon zu sprechen und dabei auf die Aus­sprache zu achten. Da liegt es auf der Hand, dass die Suche nach Terminologie während des Sprechens zu aufwendig werden kann. Die Entwicklung von Spracherkennungs­technologien ist jedoch auf dem Weg, dieses Problem zu lösen. Ein weiteres Manko ist, dass manche Dolmetscher es befremdlich finden, ein Computer­programm laufen zu lassen, während sie in der Kabine arbeiten. Sich zu ändern ist nicht immer leicht: Manche Dolmetscher bevorzugen die herkömmlichen Methoden, die sie seit Jahren gewohnt sind.

Die Zukunft von CAI-Tools

Trotz der momentanen Defizite wird der Einsatz computer­gestützter Dolmetsch­tools immer beliebter. Um die Akzeptanz weiter zu erhöhen, müssen die Tools weiter­entwickelt und ver­bessert werden. Die Sprach­erkennung könnte ein wichtiger Wende­punkt sein: Anstatt einen Begriff manuell ein­zugeben, könnten Dolmetscher ihn einfach aus­sprechen, um danach in der Daten­bank zu suchen. So ließen sich ziel­sprachliche Äquivalente wesentlich schneller finden. Um CAI-Tools weiter­zuentwickeln, sind mehr Usability-Tests nötig, damit Dolmetscher sich an den Gebrauch der Programme ge­wöhnen und nicht von einer Flut an In­formationen über­wältigt werden. Außer­dem muss es eine Möglichkeit geben, dass Dolmetscher ihr Wissen über diese Pro­gramme mit Kollegen teilen. Um dies zu ermöglichen, sollten Entwickler mit Bildungs­einrichtungen zusammen­arbeiten. Schulung und Ausbildung sind ein wichtiger Faktor: Wenn Dolmetscher den Umgang mit computer­gestützten Dolmetschtools bereits in ihrer Ausbildung erlernen, wird es eine stärkere Nachfrage nach dieser Technologie geben, sobald sie in den Arbeitsmarkt eintreten. Alles in allem ist es schwer, vorauszusehen, wie schnell sich die CAI-Technologie weiterentwickeln wird, denn es gibt einfach nicht genügend Dolmetscher, um die Investition einer großen Summe in die Erforschung dieses Gebietes zu rechtfertigen. Zudem befürchten viele Dolmetscher, dass die Technologie eines Tages ihre Arbeit komplett übernehmen wird, und zögern deshalb, neue Tools zur Unter­stützung ihrer Arbeit einzuführen. Doch wenn die Dolmetscher in Ihrem Team ihre Arbeitsprozesse straffen und die Terminologiearbeit vereinfachen möchten, dann könnten diese modernen Tools das Richtige für Ihr Unternehmen sein. Wenn Sie weitere Informationen zum Thema Dolmetschen oder Übersetzen wünschen, dann sprechen Sie uns an. Wir bei RWS Moravia helfen Unternehmen und Marken rund um den Erdball bei der Entwicklung überzeugender und aussagekräftiger Produkte in über 250 Sprachen.
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Autor

Lee Densmer

Lee Densmer ist seit 2001 in der Lokalisierungsbranche tätig. Sie begann als Projektmanagerin und wechselte dann zu Lösungsarchitektur und Marketing-Management. Wie viele Lokalisierungsexperten kam auch sie durch ihr Sprachinteresse und ihre linguistische Ausbildung zu diesem Bereich. Sie hat einen Master-Abschluss in Linguistik von der University of Colorado. Lee Densmer lebt in Idaho und unternimmt gern Auslandsreisen und Ausflüge in die umliegenden Berge.
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