Künstliche Intelligenz als Gewinnerin der Corona-Krise

Lee Densmer Lee Densmer 15. Dez. 2020
Künstliche Intelligenz als Gewinnerin der Corona-Krise
Eine weltweite Pandemie wie die Corona-Krise hatte niemand kommen sehen. Gab es jemals eine Zeit, in der die gesamte Welt ihre Ge­schäfte schloss und die Straßen leer­gefegt waren, weil es galt, Kontakte zu vermeiden? Die Folgen sind in vieler­lei Hinsicht verheerend – zumindest für uns Menschen. Bei Maschinen sieht es anders aus. Für die künstliche Intelligenz (KI) war das Jahr 2020 positiv, da die Menschen eine Mög­lichkeit brauchten, um mit­einander zu kommunizieren, sich ab­zulenken, medizinische Be­ratung und Ant­worten zu er­halten und alles Nötige ein­zukaufen. Manche denken wahr­scheinlich, dass KI erst jetzt so richtig zum Einsatz gekommen ist, doch tat­sächlich war KI bereits vor­her weit verbreitet. Seit ihrer Ent­stehung in den 1950er Jahren wächst sie heute jedoch stärker denn je. Während wir körperlich und seelisch unter der „neuen Normalität“ leiden und die Wirt­schaft bemüht ist, auch nur an­nähernd den Status quo vor der Pandemie wieder­herzustellen, geht KI gestärkt aus der Krise hervor – mit weit­reichenderen Anwendungen als jemals zuvor. Wir werden nun ein paar Beispiele be­leuchten, wie KI auch nach der Coronavirus-Pandemie weiter florieren wird.

Robotik

Robotertechnik kommt bereits in zahl­reichen Branchen zum Einsatz, denn sie be­seitigt menschliche Fehler, die Beleg­schaft wird nie krank (oder ver­breitet ein tödliches Virus) und kann rund um die Uhr arbeiten. Laut Financial Times geht die International Federation of Robotics (IFR, inter­nationaler Verband der Robotik-Industrie) davon aus, dass die Zahl der professionell ein­gesetzten Service­roboter in diesem Jahr weltweit um 38 % steigen und dass dieses Wachs­tum über die nächsten zwei Jahre an­halten werde. Elisabeth Reynolds, Executive Director der „Task Force on the Work of the Future“ am Massachusetts Institute of Technology (MIT), sagte, dass die Aus­breitung des Virus „den Einsatz von Roboter­technik und anderen Technologien be­schleunigt hat, um Auf­gaben zu über­nehmen, die während der Pandemie schwieriger zu be­wältigen sind.“ Die Sicher­heit und Pro­duktivität steigt, Ab­hängigkeiten werden be­seitigt, Workflows ge­strafft und der Umsatz wächst.

Automatisierung

Neben der Robotik hat auch das Maß an Automatisierung zu­genommen, da immer mehr Unter­nehmen und Branchen die Arbeit im Homeoffice er­möglichen mussten. Von der Termin­planung in Slack, Google Kalender oder Stackby über das Filtern von E-Mails bis hin zum Lösen von IT-Problemen ohne Ein­griff des Menschen – die Auto­matisierung ent­wickelt sich zu einem un­verzichtbaren Element für die Pro­duktivität von Mit­arbeitern und den Betrieb von Unter­nehmen. Zudem steuert sie im Hinter­grund viele unter­stützende Funktionen – wie Backend-Datenbanken und Funktionen für die In­formations­sicherheit –, für niemanden sichtbar, aber un­erlässlich für den all­täglichen Geschäftsbetrieb. Jess McCuan, Content Lead bei Automation Hero meint dazu: „Unter­nehmen, die sich gegen die Auto­matisierung ent­schieden haben, dürften nun die Folgen spüren. Manuelle Prozesse lassen sich aus der Ferne einfach schwerer steuern.“

Chatbots

Sie sind mittlerweile all­gegenwärtig und Unter­nehmen teilen uns offen mit, dass wir mit einem Chatbot sprechen. Bei der Kommunikation mit dem lokalen Musik­geschäft haben wir kein Problem, mit Bot Marley zu sprechen. Innovative Unter­nehmen haben Spaß daran und Kunden sind mit dem Ergebnis zufrieden. Das Brand-Experience-Unternehmen Uberall fand heraus, dass acht von zehn Kunden, die bereits mit einem Chatbot kommuniziert haben, das Er­lebnis als positiv empfanden. Würden sie die Inter­aktion mit einem Menschen ebenso positiv bewerten? Die Chatbot-Entwickler von BotStar sehen einen höheren Bedarf an Chatbots als je zuvor, denn: „Online-Shopping ist ein lang­fristiger Trend, der sich auch nach der Pandemie fort­setzen wird … Auch nach dem Ende der Quarantäne werden die Menschen lieber von ihrem sicheren Zuhause aus einkaufen.“ Doch wir reden nicht nur von Chatbots zum Ein­kaufen: Dem Welt­wirtschafts­forum zufolge „haben die Welt­gesundheits­organisation (WHO) und das Center For Disease Control and Prevention (CDC) auch Chatbots in ihre Websites integriert, um Milliarden von Menschen aktuelle Informationen zur Aus­breitung des Virus und zu den Symptomen zur Verfügung zu stellen.“

Virtuelle Assistenten

Virtuelle Assistenten reagieren auf Befehle, ver­sorgen uns mit Informationen, bieten Unter­haltung und unter­stützen uns im Alltag. Derzeit sind etwa 4,2 Milliarden virtuelle Assistenten im Einsatz. Diese Zahl wird sich laut Statista in den nächsten vier Jahren auf 8,4 Milliarden ver­doppeln. Das ist mehr als die gesamte Welt­bevölkerung. Unter­stützt wird der Auf­stieg virtueller Assistenten durch die Sprach­erkennung des Natural Language Processing (NLP, Verarbeitung natürlicher Sprache). Dank NLP sind auto­matisierte Pro­dukte in der Lage, normale Alltags­sprache zu ver­stehen. NLP macht es möglich, dass Sie mit Ihrem Smart­phone, Alexa, Google Home, Ihrem Auto oder jedem anderen Gerät mit Sprach­erkennungs­funktion sprechen können und dieses Ihre Befehle ausführt. Die Marketing-News-Website „The Drum“ betont: „Auf diesem Gebiet gibt es noch viel zu tun, aber das Coronavirus wird das Tempo der Implementierung von Sprach­technologie im öffent­lichen Bereich weiter beschleunigen.

Überwachungssysteme

Auch Behörden, Krankenhäuser und Unter­nehmen setzen nun verstärkt KI-gestützte Technologien ein, um für unsere Sicherheit zu sorgen und sicher­zustellen, dass wir mit so wenigen Keimen wie möglich in Kontakt kommen. Überwachungs­kameras, Gesichts­erkennungs­systeme und GPS-Ortung für Smart-Geräte be­kämpfen das Corona­virus nun aktiv durch Protokolle für die Kontakt­nachverfolgung. Ergänzt man dies nun um Wärme­bild­systeme, um Menschen mit erhöhter Körper­temperatur zu erkennen, erhält man ein um­fassendes Verteidigungs­system gegen Pandemien, Viren und Krankheiten. Kein Land und kein Unternehmen möchte noch einmal kalt erwischt werden, deshalb können Sie davon ausgehen, dass diese Sicherheits­mechanismen auch dann weiterhin Bestand haben werden, wenn wir alle geimpft sind.

Kommunikation und Bildung

Persönliche Besprechungen sind seit Ausbruch der Pandemie enorm ein­geschränkt. Die neue Form des Zusammen­treffens – wie KI-gestützte Seminare, Konferenzen und Meetings – wird sich auch dann fortsetzen, wenn die Be­drohung durch das Corona­virus gebannt ist. Zoom, Microsoft Teams, Skype und all die anderen Platt­formen für Video­konferenzen, für die lediglich WLAN er­forderlich ist, haben bewiesen, dass wir genauso gut von zu Hause aus kommunizieren können. Darüber hinaus profitieren Unter­nehmen von deutlichen Kosten­einsparungen und einem geringeren CO2-Ausstoß. Eine gesunde Mischung aus Home­office und Arbeit vor Ort wird die Zukunft sein. Auch Bildungs­institutionen springen auf diesen Zug auf: Uni­versitäten auto­matisieren ihre Ver­waltung und führen Online-Unterricht ein, sodass man ein ganzes Studium ab­solvieren kann, ohne jemals einen Hör­saal zu betreten.

Doch wird es noch genug Raum für uns Menschen geben?

Kommt diese Frage nicht immer auf? Die Antwort wird immer lauten: ja. KI ist auf den Menschen angewiesen. Dem globalen Research- und Beratungs­unternehmen Gartner zufolge bedeutet der zu­nehmende Einsatz von KI nicht zwangsläufig, dass Menschen über­flüssig und ent­lassen werden. Im Gegenteil, durch die Ein­führung von KI werden 2,3 Millionen Arbeits­plätze entstehen. Zwar werden sich unsere Arbeits­weise und unsere Rollen ver­ändern, aber KI-gestützte Lösungen müssen durch KI-versierte Mitarbeiter über­wacht und an­geleitet werden, damit sie die Unter­nehmen in die richtige Richtung lenken. Mittlerweile gelangen verschiedene Impf­stoffe auf den Markt und die Regierungen der einzelnen Länder er­arbeiten Strategien zur Impfung ganzer Nationen. Ein lang­fristiges Er­gebnis der Pandemie wird sein, dass sie die Ent­wicklung von Robotik, Automatisierung, Chatbots, virtuellen Assistenten, Überwachungs­systemen und Kommunikations­methoden be­schleunigt hat – nicht nur, um das Virus zu bekämpfen, sondern auch, um unsere Wirtschaft zukunfts­fähig zu machen. Dank KI-Innovationen können Branchen die Pandemie über­stehen und die Mensch­heit ar­beitet endlich zusammen, um die größte Gesundheits­krise der vergangenen 100 Jahre zu überwinden.
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Autor

Lee Densmer

Lee Densmer ist seit 2001 in der Lokalisierungsbranche tätig. Sie begann als Projektmanagerin und wechselte dann zu Lösungsarchitektur und Marketing-Management. Wie viele Lokalisierungsexperten kam auch sie durch ihr Sprachinteresse und ihre linguistische Ausbildung zu diesem Bereich. Sie hat einen Master-Abschluss in Linguistik von der University of Colorado. Lee Densmer lebt in Idaho und unternimmt gern Auslandsreisen und Ausflüge in die umliegenden Berge.
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