Bereit für die digitale Transformation? Nur, wenn es auch Teil Ihrer Unternehmenskultur ist!

Lee Densmer 04. Jan. 2021
Bereit für die digitale Transformation? Nur, wenn es auch Teil Ihrer Unternehmenskultur ist!
Alles ist heutzutage zu­mindest auch online. Da ist es für Unter­nehmen wichtiger denn je, digitale Tech­nologien ein­zusetzen. Nur so können sie auf sich schnell ändernde An­forderungen und Heraus­forderungen rea­gieren. Doch der Pro­zess der digi­talen Trans­formation ist äußerst komplex und der Erfolg der Um­setzung hängt davon ab, ob das ge­samte Unter­nehmen offen für Ver­änderungen ist. Das weiß wohl niemand besser als Jim DuBois, ehemaliger CIO von Microsoft sowie Autor und Berater ver­schiedener Fortune 500-Unternehmen und Start-ups. DuBois spielte eine zentrale Rolle bei der digitalen Trans­formation von Microsoft. Des­halb haben wir ihn zu einem Ge­spräch ins Globally Speaking Radio ein­geladen, seine Sicht­weise zu den Themen digitale Trans­formation und Unter­nehmens­kultur zu er­läutern.

Was bedeutet digitale Transformation?

Die digitale Trans­formation ist der Pro­zess der Integration digitaler Techno­logien in sämt­liche Aspekte einer Orga­nisation. Durch die Nutzung digitaler Lö­sungen kann eine Orga­nisation die Effizienz ihrer Prozesse ver­bessern, Betriebskosten senken und ein heraus­ragendes Kunden­erlebnis bieten. Ein weiterer Vorteil ist, dass Unter­nehmen sich besser auf Un­wägbar­keiten ein­stellen können, wie bei­spiels­weise neue Kunden­anforderungen und Störungen der Lieferkette. Doch DuBois merkt an: „Es gibt un­zählige ver­schiedene Definitionen der digitalen Trans­formation, denn alle durch­laufen gerade eine digitale Trans­formation. Fragt man die ein­zelnen Unter­nehmen, was digitale Trans­formation bei ihnen konkret be­deutet, fallen die Ant­worten sehr unter­schiedlich aus.“ Mit anderen Worten, der Prozess der digitalen Trans­formation ist subjektiv und hängt davon ab, welche Probleme eine Orga­nisation lösen möchte und welche An­forderungen sie hat. Zahlreiche Faktoren, wie innovative Techno­logien oder die Angst, hinter techno­logisch besser auf­gestellten Wett­bewerbern zurück­zubleiben, treiben die digitale Trans­formation weltweit zu­sätzlich an. Laut International Data Corporation (IDC) werden Unter­nehmen in 2022 insgesamt fast 2 Billionen US-Dollar für die digitale Trans­formation ausgeben. Aktuellen Studien zufolge scheint auch die Corona-Pandemie die Digitalisierung kaum aus­zubremsen. Eine im Mai 2020 veröffentlichte IDC-Studie ergab, dass die welt­weiten Aus­gaben für Digi­talisierungs­technologien 2020 mit einer Wachstums­rate von 10,4 % auf 1,3 Billionen US-Dollar steigen werden.

Ein umsetzbarer Plan für die digitale Transformation

Einer der größten Fehler, den Unter­nehmen bei der digitalen Trans­formation machen können, ist, sich an einen strikten Plan zu halten. Dies betont Jim DuBois sowohl in unserem Interview als auch in seinem Buch Six-Word Lessons to Think Like a Modern-Day CIO (Denken wie ein moderner CIO – Lektionen in sechs Worten; nur auf Englisch erschienen). Er meint dazu: „Es geht um Ihre Vision von dem, was Sie trans­formieren möchten … aber auch um die Fähigkeit, zu er­kennen, dass Sie nicht alles von vorn­herein durch­blicken können, dass Sie in der Praxis lernen werden und dass Sie eine Vision haben können. Eine solche Vision ist flexibel, sie sorgt im gesamten Unternehmen für Klarheit, bietet aber auch Raum für einen fort­laufenden Lernprozess. Eine erfolgreiche digitale Transformation be­ginnt also damit, ein Problem zu er­kennen, das gelöst werden soll. Das ist der Grund, warum ein Unter­nehmen die digitale Trans­formation in An­griff nimmt. Das Ziel könnte beispiels­weise sein, den Kunden­service zu ver­bessern, die Pro­duktivität an­zukurbeln oder den Mit­arbeitern die Arbeit zu er­leichtern. Von da an können Sie sich an die Auswahl eines Frameworks für die digitale Trans­formation machen. Zwei Beispiele für beliebte Frameworks sind die Modelle von MIT Sloan und Cognizant. Danach geht es an die Planung, wobei, so DuBois, „jenen Dingen, die uns schneller ans Ziel bringen werden“, Priorität ein­geräumt werden sollte. So ge­winnt der Pro­zess an Dynamik und Sie er­zielen früh­zeitig einen Return on Investment. Seien Sie sich je­doch be­wusst, dass Sie auf Ihrem Weg einige Hürden zu über­winden haben. Stellen Sie sich also be­reits darauf ein, dass Sie Ihren Plan eventuell neu über­denken und Ihren Er­fahrungen an­passen müssen.

Die Rolle der Unternehmens­kultur für die digitale Transformation

Die Unternehmenskultur spielt eine ent­scheidende Rolle bei der digitalen Trans­formation. Jim DuBois be­schreibt die Unter­nehmens­kultur als „wichtigsten Aspekt, der stimmen muss“. Ihm zufolge müssen Unter­nehmen „alles auf­einander ab­stimmen. Die Mitarbeiter sollten die Unter­nehmens­pläne und -ziele unter­stützen, an­statt sich dem Fort­schritt zu wider­setzen und Neues aus­zubremsen.“ Dieser Änderungs­wille be­ginnt an der Spitze des Unter­nehmens und dringt dann bis zur Basis durch. Während seiner Zeit als CIO von Microsoft wurde DuBois deutlich, welch zentrale Rolle der neue CEO Satya Nadella beim Wandel der Unter­nehmens­kultur spielte, als er 2014 seinen Posten antrat. Laut DuBois war Nadella einer von wenigen Kandidaten, die es in die End­runde für die Position ge­schafft hatten. Dann erhielten sie die Aufgabe, einen Auf­satz darüber zu schreiben, was sie als CEO vor­hätten. Nadella be­schrieb in seinem Auf­satz den Wunsch, die Unternehmens­kultur zu ver­ändern, um eine „Beschleunigung des Fortschritts“ zu er­möglichen. Damit über­zeugte er und bekam den Posten. In seinem neuen Amt führte Nadella einen prag­matischen Ansatz für das Change-Management ein. Er begann zu­nächst, die Unter­nehmens­kultur klar zu definieren. So wurde aus Microsoft eine Lern­umgebung. Die Teams führten einen wissen­schaftlichen An­satz zur Förderung der digitalen Trans­formation ein. Mitarbeiter wurden dazu an­gehalten, Hypothesen auf­zustellen, zu ex­perimentieren und aus den ge­wonnenen Er­kenntnissen zu lernen. Nadella betonte, wie wichtig es sei, dass die Führungs­ebene die neue Kultur vorlebt und Ver­antwort­lichkeiten festlegt. DuBois nannte ein prominentes Beispiel für Nadellas Führungs­ansatz: der bekannte Vorfall mit Tay, einem Chatbot mit künstlicher Intelligenz (KI), der 2016 von Microsoft ver­öffentlicht wurde. Tay löste eine große Kontro­verse aus, als er damit begann, an­zügliche und be­leidigende Tweets in seinem Twitter-Konto zu ver­fassen. Dies war durch das Fehl­verhalten von Be­nutzern (Trollen) ver­ursacht worden, welche den Dienst ge­zielt durch un­angemessenen Content „ge­füttert“ und an­gelernt hatten. DuBois berichtet, wie scharf die Medien Microsoft kritisiert hatten, keine besseren Kontroll­mechanismen ein­gerichtet zu haben. Doch anstatt die Team­leiterin des Projekts zu ver­warnen, fragte Nadella sie, was sie aus dieser Er­fahrung ge­lernt habe und was sich beim nächsten Mal ver­bessern ließe. Nadella „forderte sie außer­dem dazu auf, mit einigen anderen Teams im Unter­nehmen zu sprechen, um ihre Er­kenntnisse zu teilen. Wie sich heraus­stellte, ging es nicht in erster Linie darum, ihre Er­kenntnisse zu ver­breiten, sondern darum, dass sie ihren Kollegen davon be­richtete, wie Nadella auf die Sache reagiert hat.“ Dieser Führungs­stil förderte nicht nur Lern­prozesse, sondern er­zeugte Ver­trauen im gesamten Unternehmen. Nachdem Nadella diese trans­formativen Ver­änderungen der Unternehmens­kultur bei Microsoft an­gestoßen hatte, ging man beim Projekt­management vom lang­wierigen Wasserfall­modell auf ein agiles Software­entwicklungs­modell über. Ziel war die Be­schleunigung der Ver­öffentlichung von Releases und die Steigerung der Kunden­zufriedenheit. Nichts von alle­dem wäre möglich ge­wesen, ohne dass sowohl die Führungs­kräfte als auch ihre Mit­arbeiter sich an diese neue digitale Art der Ver­öffentlichung von In­halten und der Geschäftstätigkeit an­gepasst hätten. Das gesamte Interview mit Jim DuBois hören Sie in der 105. Folge von Globally Speaking. Wenn Sie über künftige Folgen auf dem Laufenden bleiben möchten, können Sie den Podcast auch abonnieren.
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AUTOR

Lee Densmer

Lee Densmer ist seit 2001 in der Lokalisierungsbranche tätig. Sie begann als Projektmanagerin und wechselte dann zu Lösungsarchitektur und Marketing-Management. Wie viele Lokalisierungsexperten kam auch sie durch ihr Sprachinteresse und ihre linguistische Ausbildung zu diesem Bereich. Sie hat einen Master-Abschluss in Linguistik von der University of Colorado. Lee Densmer lebt in Idaho und unternimmt gern Auslandsreisen und Ausflüge in die umliegenden Berge.
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