Alles ist heutzutage zumindest auch online. Da ist es für Unternehmen wichtiger denn je, digitale Technologien einzusetzen. Nur so können sie auf sich schnell ändernde Anforderungen und Herausforderungen reagieren. Doch der Prozess der digitalen Transformation ist äußerst komplex und der Erfolg der Umsetzung hängt davon ab, ob das gesamte Unternehmen offen für Veränderungen ist. Das weiß wohl niemand besser als Jim DuBois, ehemaliger CIO von Microsoft sowie Autor und Berater verschiedener Fortune 500-Unternehmen und Start-ups.
DuBois spielte eine zentrale Rolle bei der digitalen Transformation von Microsoft. Deshalb haben wir ihn zu einem Gespräch ins
Globally Speaking Radio eingeladen, seine Sichtweise zu den Themen digitale Transformation und Unternehmenskultur zu erläutern.
Was bedeutet digitale Transformation?
Die digitale Transformation ist der Prozess der Integration digitaler Technologien in sämtliche Aspekte einer Organisation. Durch die Nutzung digitaler Lösungen kann eine Organisation die Effizienz ihrer Prozesse verbessern, Betriebskosten senken und ein herausragendes Kundenerlebnis bieten. Ein weiterer Vorteil ist, dass Unternehmen sich besser auf Unwägbarkeiten einstellen können, wie beispielsweise neue Kundenanforderungen und Störungen der Lieferkette.
Doch DuBois merkt an: „Es gibt unzählige verschiedene Definitionen der digitalen Transformation, denn alle durchlaufen gerade eine digitale Transformation. Fragt man die einzelnen Unternehmen, was digitale Transformation bei ihnen konkret bedeutet, fallen die Antworten sehr unterschiedlich aus.“ Mit anderen Worten, der Prozess der digitalen Transformation ist subjektiv und hängt davon ab, welche Probleme eine Organisation lösen möchte und welche Anforderungen sie hat.
Zahlreiche Faktoren, wie innovative Technologien oder die Angst, hinter technologisch besser aufgestellten Wettbewerbern zurückzubleiben, treiben die digitale Transformation weltweit zusätzlich an. Laut
International Data Corporation (IDC) werden Unternehmen in 2022 insgesamt
fast 2 Billionen US-Dollar für die digitale Transformation ausgeben. Aktuellen Studien zufolge scheint auch die Corona-Pandemie die Digitalisierung kaum auszubremsen. Eine im Mai 2020 veröffentlichte
IDC-Studie ergab, dass die weltweiten Ausgaben für Digitalisierungstechnologien 2020 mit einer Wachstumsrate von 10,4 % auf 1,3 Billionen US-Dollar steigen werden.
Ein umsetzbarer Plan für die digitale Transformation
Einer der größten Fehler, den Unternehmen bei der digitalen Transformation machen können, ist, sich an einen strikten Plan zu halten. Dies betont Jim DuBois sowohl in unserem Interview als auch in seinem Buch
Six-Word Lessons to Think Like a Modern-Day CIO (Denken wie ein moderner CIO – Lektionen in sechs Worten; nur auf Englisch erschienen). Er meint dazu: „Es geht um Ihre Vision von dem, was Sie transformieren möchten … aber auch um die Fähigkeit, zu erkennen, dass Sie nicht alles von vornherein durchblicken können, dass Sie in der Praxis lernen werden und dass Sie eine Vision haben können. Eine solche Vision ist flexibel, sie sorgt im gesamten Unternehmen für Klarheit, bietet aber auch Raum für einen fortlaufenden Lernprozess.
Eine erfolgreiche digitale Transformation beginnt also damit, ein Problem zu erkennen, das gelöst werden soll. Das ist der Grund, warum ein Unternehmen die digitale Transformation in Angriff nimmt. Das Ziel könnte beispielsweise sein, den Kundenservice zu verbessern, die Produktivität anzukurbeln oder den Mitarbeitern die Arbeit zu erleichtern. Von da an können Sie sich an die Auswahl eines Frameworks für die digitale Transformation machen. Zwei Beispiele für beliebte Frameworks sind die Modelle von
MIT Sloan und
Cognizant.
Danach geht es an die Planung, wobei, so DuBois, „jenen Dingen, die uns schneller ans Ziel bringen werden“, Priorität eingeräumt werden sollte. So gewinnt der Prozess an Dynamik und Sie erzielen frühzeitig einen Return on Investment. Seien Sie sich jedoch bewusst, dass Sie auf Ihrem Weg einige Hürden zu überwinden haben. Stellen Sie sich also bereits darauf ein, dass Sie Ihren Plan eventuell neu überdenken und Ihren Erfahrungen anpassen müssen.
Die Rolle der Unternehmenskultur für die digitale Transformation
Die Unternehmenskultur spielt eine entscheidende Rolle bei der digitalen Transformation. Jim DuBois beschreibt die Unternehmenskultur als „wichtigsten Aspekt, der stimmen muss“. Ihm zufolge müssen Unternehmen „alles aufeinander abstimmen. Die Mitarbeiter sollten die Unternehmenspläne und -ziele unterstützen, anstatt sich dem Fortschritt zu widersetzen und Neues auszubremsen.“ Dieser Änderungswille beginnt an der Spitze des Unternehmens und dringt dann bis zur Basis durch.
Während seiner Zeit als CIO von Microsoft wurde DuBois deutlich, welch zentrale Rolle der neue CEO Satya Nadella beim Wandel der Unternehmenskultur spielte, als er 2014 seinen Posten antrat. Laut DuBois war Nadella einer von wenigen Kandidaten, die es in die Endrunde für die Position geschafft hatten. Dann erhielten sie die Aufgabe, einen Aufsatz darüber zu schreiben, was sie als CEO vorhätten. Nadella beschrieb in seinem Aufsatz den Wunsch, die Unternehmenskultur zu verändern, um eine „Beschleunigung des Fortschritts“ zu ermöglichen. Damit überzeugte er und bekam den Posten.
In seinem neuen Amt führte Nadella einen pragmatischen Ansatz für das Change-Management ein. Er begann zunächst, die Unternehmenskultur klar zu definieren. So wurde aus Microsoft eine Lernumgebung. Die Teams führten einen wissenschaftlichen Ansatz zur Förderung der digitalen Transformation ein. Mitarbeiter wurden dazu angehalten, Hypothesen aufzustellen, zu experimentieren und aus den gewonnenen Erkenntnissen zu lernen. Nadella betonte, wie wichtig es sei, dass die Führungsebene die neue Kultur vorlebt und Verantwortlichkeiten festlegt.
DuBois nannte ein prominentes Beispiel für Nadellas Führungsansatz: der bekannte Vorfall mit Tay, einem
Chatbot mit künstlicher Intelligenz (KI), der 2016 von Microsoft veröffentlicht wurde. Tay löste eine große Kontroverse aus, als er damit begann, anzügliche und beleidigende Tweets in seinem Twitter-Konto zu verfassen. Dies war durch das Fehlverhalten von Benutzern (Trollen) verursacht worden, welche den Dienst gezielt durch unangemessenen Content „gefüttert“ und angelernt hatten.
DuBois berichtet, wie scharf die Medien Microsoft kritisiert hatten, keine besseren Kontrollmechanismen eingerichtet zu haben. Doch anstatt die Teamleiterin des Projekts zu verwarnen, fragte Nadella sie, was sie aus dieser Erfahrung gelernt habe und was sich beim nächsten Mal verbessern ließe. Nadella „forderte sie außerdem dazu auf, mit einigen anderen Teams im Unternehmen zu sprechen, um ihre Erkenntnisse zu teilen. Wie sich herausstellte, ging es nicht in erster Linie darum, ihre Erkenntnisse zu verbreiten, sondern darum, dass sie ihren Kollegen davon berichtete, wie Nadella auf die Sache reagiert hat.“ Dieser Führungsstil förderte nicht nur Lernprozesse, sondern erzeugte Vertrauen im gesamten Unternehmen.
Nachdem Nadella diese transformativen Veränderungen der Unternehmenskultur bei Microsoft angestoßen hatte, ging man beim Projektmanagement vom langwierigen Wasserfallmodell auf ein agiles Softwareentwicklungsmodell über. Ziel war die Beschleunigung der Veröffentlichung von Releases und die Steigerung der Kundenzufriedenheit. Nichts von alledem wäre möglich gewesen, ohne dass sowohl die Führungskräfte als auch ihre Mitarbeiter sich an diese neue digitale Art der Veröffentlichung von Inhalten und der Geschäftstätigkeit angepasst hätten.
Das gesamte Interview mit Jim DuBois hören Sie in der
105. Folge von Globally Speaking. Wenn Sie über künftige Folgen auf dem Laufenden bleiben möchten, können Sie den Podcast auch
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