Durch „Economies of Flow“ Lokalisierungskosten senken

Lee Densmer 27. Mai 2020
Durch „Economies of Flow“ Lokalisierungskosten senken
Dass viele Unternehmen Lokalisierungs­aufgaben aus­lagern, um sich Skalen­effekte zunutze zu machen und Kosten zu senken, dürfte keine große Über­raschung sein. Zum Beispiel werden Dienst­leistern gegen Preis­nachlass größere Auftrags­volumina überlassen, doch kann diese Taktik auch nach hinten los­gehen, wenn am Ende die Qualität nicht stimmt. An­gesichts dessen, dass das Über­setzungs­aufkommen und damit der Be­arbeitungs- und Prüf­aufwand nicht gerade kleiner werden, sind manche Dienst­leister sogar ge­neigt, die Zügel bei der Qualitäts­sicherung schleifen zu lassen, damit sie ihre Margen halten können. Traditionelles Outsourcing, wie oben beschrieben, bedeutet eine Verschiebung des Problems hin zu einem externen Unter­nehmen, das auf die Lösung des aus­gelagerten Problems spe­zialisiert ist. Fol­gende Analogie mag dies ver­an­schaulichen: Wer Kopf­schmerzen hat, greift als schnelle Lösung zu einem Schmerz­mittel. Die Symptome lassen rasch nach, wes­halb der Be­troffene bei der nächsten Kopf­schmerz­attacke wahr­scheinlich wieder dieselbe Arznei nehmen wird. Das eigentliche Problem bleibt aber be­stehen: Was hat den Kopf­schmerz aus­gelöst? Die Symptome sind lediglich äußere An­zeichen einer tiefer­liegenden Ur­sache, doch da Tabletten den Schmerz schnell und ein­fach ver­schwinden lassen, wird der Be­troffene seinen Lebens­wandel wohl kaum ver­ändern oder besser auf seine Ge­sund­heit acht­geben – und da liegt ja der Hase im Pfeffer. Über­tragen wir diese Analogie nun auf unser Thema: Wenn das Problem in zu hohen Kosten be­steht, ist die Ver­suchung groß, zu einem „Schmerz­mittel“ zu greifen, also die Auf­gabe zu niedrigen Kosten an einen ex­ternen Dienst­leister aus­zulagern. Lang­fristig schmälert dies jedoch die Mög­lich­keiten, die Kosten in allen Prozess­schritten weiter zu senken, und kann sich sogar, wie bereits er­wähnt, negativ auf die Qualität auswirken. Eine bessere Methode, die Lo­kalisierungs­kosten zu mindern und das zugrunde liegende Problem zu lösen, wäre die An­wendung so­genannter Economies of Flow. Dies mag zwar gängigen Auf­fassungen der Unter­nehmens­führung wider­sprechen, doch die finanziellen Aus­wirkungen reichen weit über einen bloßen Skalen­effekt hinaus. Bei einem Economies-of-Flow-Ansatz wird der gesamte Work­flow oder die ge­samte Situation darauf unter­sucht, ob es in einzelnen Be­reichen Potenzial für die Effizienz­steigerung gibt, und zu­gleich sicher­gestellt, dass diese Effizienz­gewinne an anderen Stellen im Pro­zess keine un­erwünschten Neben­wirkungen haben. Es wird also nicht nur ein ver­einzeltes „Symptom“ be­handelt, sondern in einer ganz­heitlichen Be­trachtung des Problems nach einer optimalen Gesamt­lösung gesucht. Im Folgenden haben wir einige Methoden zu­sammen­gestellt, wie Sie Economies of Flow auf Ihr Lo­kalisierungs­projekt an­wenden können, um Kosten präziser und nach­haltiger zu senken.

Lokalisierungsbedarf auf dem Prüfstand

Beginnen Sie auf der Nachfrage­seite, indem Sie unter­suchen, wie Lo­kalisierungs­bedarf in Ihrem Unter­nehmen ent­steht und durch Ihre Pro­zesse „fließt“. Dazu sollten Sie Daten be­züglich der Art und Häufig­keit der aus­gelagerten Auf­träge erheben. Stellen Sie sicher, dass Sie und Ihre Partner wissen, wo und wieso Pro­zesse enden, aus­setzen oder zurück­verweisen. Wird ein Kunden­bedürfnis nicht adäquat oder gar nicht be­friedigt, so er­zeugt dies eine Art von Nach­frage durch Kunden, die sowohl für das aus­lagernde Unter­nehmen als auch für den Dienst­leister einen schwer ein­schätz­baren Kosten­faktor dar­stellt. Wird dieser Kosten­faktor dauer­haft be­seitigt, schlägt sich dies deut­lich im finanziellen Er­gebnis nieder. Aus diesem Grund sollten Sie Be­darfs­daten nutzen, um den Lo­kalisierungs­bedarf trans­parenter zu machen. In der Folge lassen sich damit ver­bundene Pro­zesse stan­dardisieren und rationalisieren, damit auch wirk­lich nur das über­setzt wird, was nötig ist. Prü­fen Sie gemeinsam mit Ihren wichtigsten Dienst­leistern die Gesamt­durchlauf­zeit be­stimmter Pro­zesse, also den „Flow“, da diese sich wesentlich auf die Kosten auswirkt.

Maximal kompetenter Umgang mit Vielfalt

Bei der Lokalisierung geben in der Regel Tools und Technologien – sofern vor­handen – die Arbeits­weise vor. Sie können aber auch zum limitierenden Faktor werden, wenn flexibel auf sich ändernde Kunden­anforderungen reagiert werden muss. Damit Sie nicht für jede An­passung einen neuen Pro­zess ent­wickeln müssen, sollten Sie sich diese Faust­regel merken: Technik kommt nicht gut mit Varianz zurecht, Menschen da­gegen schon. Wenn es also darum geht, viel­seitige Auf­gaben zu er­ledigen und System­ver­besserungen um­zu­setzen, sollten Sie auf den Ein­falls­eichtum Ihres Teams ver­trauen. Die richtige Technik sollte dabei eine Stütze, keine Hürde sein. Ein durch­dachter Pro­zess zeichnet sich dadurch aus, dass er variierende An­for­derungen be­wältigt – dies sorgt für kon­sistente Ab­läufe und senkt Kosten.

Der Preis ist nicht alles

Wer Lokalisierung als Routine­aufgabe und ihr Er­gebnis als aus­tausch­bare Ware be­greift, wird wahr­scheinlich die Er­fahrung machen, dass der billigste Sprach­dienstleister nicht un­bedingt der günstigste ist. Damit Sie nicht in diese Falle tappen, sollten Sie immer ge­nau prüfen, wie viel Sie für eine Lokalisierungs­dienstleistung zu zahlen be­reit sind, welchen Gegen­wert Sie sich davon er­warten und ob die Dienst­leistung diese Er­wartung er­füllt. Mehr über den Kon­flikt zwischen Wort­preis und Qualitäts­anspruch sowie über sinn­volle Alternativen können Sie hier nachlesen.

Die richtigen Indikatoren

Sie und Ihre Lieferanten können ge­wisse – für beide Seiten identische – prä­diktive Maß­nahmen er­greifen, die das ganze Optimierungs­potenzial in Ihrer Organisation auf­zeigen. Dazu ge­hören der Nach­frage­rhythmus, die Negativ­nachfrage, die Durch­lauf­zeit und prädiktive Qualitäts­maßahmen. Unterstützen Sie Ihre Dienst­leister dabei, diese Indikatoren zu ver­bessern, und ver­pflichten Sie sie auf eine Optimierung ihrer Kosten. Klar­heit darüber, wie viel un­erwünschte Varianz ab­gebaut wurde, be­wahrt sie davor, allein die Ein­haltung des Budgets als Maß aller Dinge zu be­trachten. Mit­hilfe dieser Indikatoren lassen sich Kosten kontinuierlich senken. Zur Ent­wicklung ganz­heitlicher Strategien mit Blick auf glo­bale An­forderungen sollten Sie mit kom­petenten Part­nern zu­sammen­arbeiten. Die Pflege lang­fristiger, ver­trauens­voller Be­ziehungen ist dabei das A und O. Nur aus einer partner­schaftlichen Zu­sammen­arbeit kann eine strategische Allianz wachsen, die Innovationen und mehr Pro­zess­effizienz er­möglicht – mit ganz wesentlichen Kosten­auswirkungen für alle Be­teiligten. Hier einige Tipps, wie Sie die Partner­schaft mit dem Sprach­dienstleister Ihrer Wahl stärken können:
  • Einigen Sie sich mit Ihrem Sprach­dienstleister über den Zweck und die wesentlichen Komponenten Ihres Lo­kalisierungs­projekts. Im Laufe der Zu­sammen­arbeit werden Sie die ge­schäftlichen und qualitativen An­forderungen Ihres Partners immer besser kennen­lernen – und um­gekehrt.
  • Beschleunigen und optimieren Sie ge­meinsam mit Ihrem Partner die Pro­duktion mit­hilfe von Economies of Flow. Dadurch können Sie Ihre Kosten im Ver­gleich zu vor­her potenziell um zwei­stellige Prozent­werte senken.
  • Standardisieren Sie Nach­frage­prozesse. Ent­wickeln Sie ge­meinsam Lösungen, um für mehr Service­effizienz voraus­schauender zu planen, Kosten zu senken, über­flüssige Schritte zu eliminieren und die Qualität zu steigern.
  • Lagern Sie Auf­gaben aus, die nicht zu Ihrem Kern­geschäft ge­hören. Globalisierungs­experten können durch schlankere Pro­zesse zu­sätzlichen Mehr­wert bieten, zum Bei­spiel durch Content-Design-Dienst­leistungen, Technologie­integrationen oder das Er­stellen von Lokalisierungs­strategien.
Schlussendlich können Sie an­hand präziser Kenn­zahlen be­legen, dass Änderungen tat­sächlich die ge­wünschte Wirkung auf Ihre Leistung und damit letzt­lich auf die Zu­friedenheit Ihrer Kunden haben. Das Konzept der Economies of Flow ist noch relativ jung und wider­spricht dem ersten An­schein nach einigen Er­fahrungen aus der Lokalisierungs­praxis, doch die Kosten­vorteile, die es birgt, sollten Sie sich keines­falls ent­gehen lassen. Nutzen Sie daher gleich die Chance, Economies of Flow richtig zu ver­stehen und zu Ihrem Nutzen umzusetzen.
Lee Densmer
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Lee Densmer

Lee Densmer ist seit 2001 in der Lokalisierungsbranche tätig. Sie begann als Projektmanagerin und wechselte dann zu Lösungsarchitektur und Marketing-Management. Wie viele Lokalisierungsexperten kam auch sie durch ihr Sprachinteresse und ihre linguistische Ausbildung zu diesem Bereich. Sie hat einen Master-Abschluss in Linguistik von der University of Colorado. Lee Densmer lebt in Idaho und unternimmt gern Auslandsreisen und Ausflüge in die umliegenden Berge.
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