Sechs Tipps für die Wahl des richtigen Lokalisierungsanbieters

Lee Densmer 25. Sept. 2020
Sechs Tipps für die Wahl des richtigen Lokalisierungsanbieters

Wenn Sie für ein großes Unter­nehmen Lo­kalisierungs­services be­schaffen, su­chen Sie wahr­scheinlich nach einem Sprach­dienst­leister (LSP), der sich um die damit ver­bundenen Volumina, Spra­chen und Fristen kümmern kann.

Anfragen, oft auch Request for In­formation (RFI) ge­nannt, ha­ben aller­dings ihre Tücken. Außer­dem ist die Aus­wahl an po­tenziellen An­bietern un­über­schaubar groß. Des­halb haben wir sechs Tipps zu­sammen­gestellt, die Ihnen bei der Be­schaffung von Lo­kalisierungs­services für multi­nationale Unter­nehmen hel­fen sollen.

1. Unter­nehmens­kultur: Treffen Sie die Per­sonen, mit denen Sie zu­sammen­arbeiten werden

Eine gute Zu­sammen­arbeit muss auf jeden Fall sicher­gestellt sein, doch die Un­ternehmens­kultur beim Lo­kalisierungs­anbieter lässt sich unter Um­ständen nicht aus der Inter­aktion mit den Mit­arbeitern ab­leiten, die sich um Ihre An­frage kümmern.

Wenn Sie sich einen rea­listischen Ein­druck vom Lieferanten ver­schaffen möchten, müssen Sie die Men­schen kennen­lernen, mit denen Sie tag­täglich in Kon­takt stehen wer­den: die Projekt­manager und Produktions­leiter.

Fragen Sie:

  • Wo arbeiten die Personen, mit denen ich in Kontakt sein werde?
  • Wie kommunizieren sie?
  • Welche Schulungen und Qua­lifikationen haben sie absolviert bzw. er­langt?
  • Woher weiß ich, dass sie die an­geforderten Leistungen um­setzen können?

2. Qualität: Mehrwert an der richtigen Stelle suchen

Einkäufer fragen gern nach einer Probe­über­setzung, um die Qualität des po­tenziellen Lieferanten ein­zuschätzen. Leider ist die Über­setzungs­qualität einer Probe­übersetzung kein zu­verlässiges Kri­terium, da sie in der Phase des RFI nicht un­bedingt die tat­sächlichen Pro­zesse beim An­bieter wider­spiegeln.

Ein Unter­nehmen, das un­bedingt den Zu­schlag er­halten möchte, wird den zur Pro­be aus­gewählten Text (oder mehrere) mit großer Sicher­heit von seinen besten Leu­ten über­setzen und Korrektur lesen lassen. Ob diese aller­dings auch spä­ter Teil des für Sie ein­gesetzten Teams sein werden, ist zu­mindest frag­lich. Dem­ent­sprechend können die meisten Sprach­dienst­leister in diesem Szenario hohe Qualität liefern.

Doch wie ist es bei einer an­deren Sprache? Oder einem an­deren Sach­gebiet?

Wenn Sie in bei­den Kategorien nur einen eng ge­steckten Be­darf ha­ben, kann eine Probe­über­setzung je­doch ein durch­aus sinn­volles Mittel sein. Doch für große Unter­nehmen ist die Viel­zahl aller mög­lichen Varianten in der Re­gel schlicht un­über­schaubar – und selbst wenn sich die Varianten über­schauen ließen, wäre es völlig praxis­fern, sie alle durch­zutesten.
Besser lassen sich An­gebote durch die Fra­ge nach den Service Levels be­urteilen, die der Sprach­dienst­leister bietet.

Fragen Sie:

  • Wie werden die besten Lo­kalisierungs­ressourcen für mein Pro­jekt aus­gewählt und geprüft?
  • Was umfasst das Projektmanagement?
  • Wie soll die richtige Mischung aus Schnelligkeit, Qualität und Kostenkontrolle für unterschiedliche Aufträge erreicht werden?
  • Welche wert­schöpfenden Services werden neben der Über­setzung noch angeboten?
  • Wie bleibt das Unter­nehmen innovativ?

3. Stabilität: der Nutzen einer langfristigen Partnerschaft

Je besser Sie und Ihr Sprach­dienst­leister die Pro­zesse und An­forderungen des je­weils Anderen im Lauf der Zeit kennen­lernen, desto wert­voller wird die Be­ziehung. Wer seine Lieferanten aller­dings häufig wechseln muss, für den ist der Auf­bau einer solchen Be­ziehung weder finanziell noch stra­tegisch ratsam.

Wenn Sie in der Aus­schreibung Wert auf Stabilität legen, kann es sinn­voll sein, die finanzielle Sta­bilität des Lo­kalisierungs­anbieter zu prü­fen und nach­zuforschen, ob er in lang­fristige Lö­sungen in­vestiert.

Fragen Sie:

  • Ist das Unternehmen finanziell gesund?
  • Wie lange dauern seine Kundenbeziehungen im Schnitt an?
  • Nimmt es nur Einzel­aufträge an oder bietet es auch länger­fristige For­men der Zu­sammen­arbeit?
  • Wie etabliert ist es in der Über­setzungs­branche?

4. Größe: zur richtigen Zeit am richtigen Ort?

Ein multinationales Unter­nehmen pro­fitiert von einem Lo­kalisierungs­anbieter mit Nieder­lassungen in Kunden­nähe. Dies er­leichtert nicht nur die Be­ziehungs­pflege, son­dern er­möglicht auch Skalen­effekte, die sich bei An­bietern mit ge­ringerer glo­baler Prä­senz nun ein­mal nicht ein­stellen.

Erfordert ein Auf­trag so­fortige Auf­merk­samkeit, werden Sie höchst­wahr­scheinlich jemanden dazu er­reichen können – un­abhängig davon, wann das Pro­blem auf­tritt. Und falls Sie große Vo­lumina an zu über­setzenden Do­kumenten er­warten, sollte der aus­gewählte An­bieter in der Lage sein, die Ar­beit an­hand mehrerer Pro­duktions­standorte termin­gerecht zu er­ledigen. Dieses Ge­schäfts­modell wird mit­unter auch sehr bild­lich „Follow-the-Sun-Modell“ ge­nannt.

Fragen Sie:

  • Hat das Unter­nehmen Nieder­lassungen in für mich relevanten Ländern?
  • Kann es die Ar­beit zeit­zonen­über­greifend er­ledigen und somit kurze Durch­lauf­zeiten bieten?
  • Wo ist mein Haupt­ansprech­partner an­sässig?
  • Welche Zeit­zonen deckt das Unter­nehmen ab?

5. Technologie: nicht von Eigenmarken blenden lassen

Zahl­reiche Lokalisierungs­anbieter nutzen ihre Über­setzungs­technologie als Allein­stellungs­merkmal. Häufig wird sie als pro­prietär be­worben, als ob das Ex­klusivität be­deuten würde. Tat­sächlich bieten die meisten dieser Eigen­lösungen keine ein­zig­artigen Vor­teile gegen­über Dritt­software, die all­gemein er­hältlich ist. Zu­dem ist nicht ge­sichert, dass diese unter­nehmens­eigenen Tools mit Ihnen „mit­wachsen“, und Sie sind an den An­bieter ge­bunden. Wenn Sie wegen ver­änderter An­forderungen oder bei einem An­bieter­wechsel auf ein an­deres Tool um­steigen müssen, kann das Pro­bleme bereiten.

Natürlich hat jede Lösung be­stimmte Stär­ken und Schwächen, aller­dings ist eine neu­trale Be­ratung zur bes­ten Op­tion für Ihr Unter­nehmen am ehesten von einem An­bieter zu er­warten, der keine eigene Tech­nologie ver­markten muss.

Fragen Sie:

  • Wie hilft mir das Unter­nehmen bei der Tech­nologieauswahl?
  • Bietet es An­passungen und Integrationen an?
  • Ist es objektiv in Bezug auf die für mich optimale Techno­logie?
  • Welchen Mehrwert bieten seine Techno­logie­bereitstellungen?

6. Kosten: billig ist nicht günstig

Un­vermeidlicher­weise ist der Preis ein Haupt­kriterium bei der An­gebots­auswertung, doch das nütz­lichste Kri­terium ist er nicht.

Die Grund­voraussetzung lau­tet: Stellen Sie sicher, dass Sie nicht Äpfel und Bir­nen ver­gleichen. Achten Sie also darauf, ob sich die Preis­gestaltung der Lieferanten beispiels­weise auf er­fahrene Pro­fis oder auf maschinelle Über­setzung mit Post-Editing bezieht.

Wenn Content sorg­fältig für andere Länder, Kul­turen und Spra­chen lo­kalisiert wer­den soll, wird ma­schinelle Über­setzung dem qua­litativ mög­licher­weise nicht ge­recht wer­den, aller­dings ist sie kosten­günstiger. Ein sehr geringer Preis geht in der Regel auch mit einem kom­plett anderen Service- und Qualitäts­niveau einher.

Allein nach dem Wort­preis zu gehen, ist auch dahin­gehend pro­blematisch, dass darin eventuell kein Projekt­management oder keine Kosten für das Engineering, Testen und sonstige Lo­kalisierungs­aufgaben ent­halten sind. Für viele dieser Ser­vices sollten Stunden­preise an­gesetzt sein, während das Pro­jekt­management häufig als pro­zentualer An­teil an den Gesamt­kosten des Pro­jekts ab­gerechnet wird.

Fragen Sie:

  • Beziehen sich die Wortpreise auf manuelle oder maschinelle Über­setzung?
  • Welches Service Level ist im Preis enthalten?
  • Wie hoch sind die Preise für Tests, Engineering und sons­tige Lo­kalisierungs­aufgaben?

Die Beschaffung von Lokalisierungsservices kann für glo­bale Unter­nehmen zum Minen­feld werden. Ihre Pro­jekte um­fassen viel mehr Va­riablen als die bei klei­neren Unter­nehmen. Doch etwas mehr Pla­nung in der Phase der An­frage kann sich später in der Be­ziehung zum neuen An­bieter wirk­lich be­zahlt machen. Wenn Ihr inter­national agierendes Unter­nehmen be­reit für einen Lokalisierungs­service-Anbieter ist, wür­den wir gern Ihre Pro­jekt­anforderungen er­fahren.

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Lee Densmer

Lee Densmer ist seit 2001 in der Lokalisierungsbranche tätig. Sie begann als Projektmanagerin und wechselte dann zu Lösungsarchitektur und Marketing-Management. Wie viele Lokalisierungsexperten kam auch sie durch ihr Sprachinteresse und ihre linguistische Ausbildung zu diesem Bereich. Sie hat einen Master-Abschluss in Linguistik von der University of Colorado. Lee Densmer lebt in Idaho und unternimmt gern Auslandsreisen und Ausflüge in die umliegenden Berge.
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