China ist ein enorm großer Markt mit einem ebenso großen Potenzial für Unternehmen mit globalen Wachstumsabsichten. Die
Wirtschaftsleistung Chinas wird nur noch von jener der USA übertroffen. Anhand des Bruttoinlandsprodukts betrachtet, handelt es sich sogar um die am schnellsten wachsende Volkswirtschaft. Zudem
ist China das bevölkerungsreichste Land der Erde: Etwa 1,2 Milliarden Menschen sprechen Chinesisch – und 750 Millionen davon nutzen das Web. Bevor Sie anfangen, für den chinesischen Markt zu lokalisieren, sollten Sie jedoch einiges wissen.
1. Berücksichtigen, dass es sieben Sprachvarianten des Chinesischen gibt
Linguistisch gesehen ist die
chinesische Sprache hochkomplex und von beeindruckender Vielfalt. Das, was die westliche Welt verallgemeinernd als Chinesisch bezeichnet, hat sieben klar abgegrenzte Varianten, die sich jeweils in mehrere regionale Untergruppen verzweigen. Von diesen Varianten umfasst Mandarin die weitaus größte Sprechergruppe, nämlich etwa 917 Millionen Menschen.
Neben Mandarin gibt es noch die Varianten Yue (einschließlich des kantonesischen Dialekts), Min, Wu, Xiang, Gan und Hakka. Sie alle sind hochgradig eigenständig – mitunter verstehen sich die Dialektsprecher gegenseitig nicht. Zusätzlich zu den gesprochenen Dialekten verkomplizieren die beiden stark unterschiedlichen Schriftsysteme des Chinesischen die Sache noch. Je nach Region kommt ein anderes Schriftsystem zum Einsatz. So sprechen Taiwaner im Allgemeinen eine eigene Version des Mandarin-Chinesischen, sie schreiben aber größtenteils in traditionellen Schriftzeichen. In China ist das anders: Mandarin ist die offizielle Amtssprache und das vereinfachte Chinesisch das offizielle Schriftsystem. In Hongkong wiederum sprechen die meisten Kantonesisch, schreiben de facto aber traditionelles Chinesisch.
Mit dieser großen Vielfalt an gesprochenen Dialekten geht ein Wirrwarr an Unterschieden im Wortschatz sowie in der Aussprache und sogar Grammatik einher. Dementsprechend müssen Lokalisierungsinitiativen die Eigenheiten des jeweiligen Zielmarkts berücksichtigen, damit die Verbraucher das Gefühl haben, maßgeschneiderten Content zu erhalten. Wenn Sie nicht für alle sieben Sprachvarianten ein Budget vereinbaren können, konzentrieren Sie sich zunächst auf vereinfachtes Chinesisch und Mandarin.
2. Die Kultur kennen
Die chinesischen Dialekte sind jedoch nicht die einzigen Herausforderungen beim Marketing für diesen Zielmarkt. Ebenso wie die sprachliche Situation ist auch die Kultur Chinas – im Geschäftsleben und darüber hinaus – speziell. Auch hier gilt wie für den Rest der Welt: Marketing-Kampagnen müssen in sprachlicher und kultureller Hinsicht die lokalen Einstellungen und Reibungspunkte berücksichtigen. Ein Beispiel ist das Branding, das in China aus mehreren Gründen extrem wichtig ist.
Einige bekannte Marken sind in China so beliebt, dass Menschen gern teilweise stundenlang Schlange stehen, um ihre Must-haves zu kaufen. Zudem sind sie bereit, für diese Topmarken mehr zu bezahlen. Während in weiten Teilen der westlichen Welt die Schnäppchenjagd selbstverständlich ist, orientieren sich chinesische Verbraucher eher am Image einer Marke, auch wenn sie dafür mehr bezahlen. Denken Sie daran, dass die Mittelschicht Chinas nicht nur wächst, sondern auch am ehesten digital einkauft. Wenn Sie also auf diese demografische Gruppe abzielen, benötigen Sie eine umfangreiche digitale Präsenz.
3. Mikrolokalisierung als Option
Wenn Sie Ihre Marke auf den chinesischen Markt ausrichten, sollten Sie China eher als Kontinent denn als Land betrachten. Das heißt, was in der einen Region bekannt und/oder nachvollziehbar ist, muss es in den anderen längst nicht sein. Abgesehen von dem offensichtlichen Nutzen hochwertiger Übersetzungen, die für Ihre Zielregionen oder -städte lokalisiert sind, sollten Sie auch ermitteln, welche Markennamen und Slogans auf die Zielgruppe ansprechend wirken.
Ihr Marketingmaterial muss unbedingt Elemente enthalten, auf die der Zielmarkt anspricht. Das können sprachliche Elemente sein, wie regionale umgangssprachliche Ausdrücke, aber auch kulturelle, wie die Erwähnung lokaler Wahrzeichen oder Phänomene. Sogar Fotos von Einheimischen und regionaltypischen Lokalitäten sind möglich. Es gibt aber auch einen gegensätzlichen Trend: Ein gewisser Anteil chinesischer Verbraucher, besonders die wohlhabenderen, verlangt speziell nach ausländischen Produkten. Sie befürchten, unwissentlich gefälschte Produkte aus China zu erwerben. Unter bestimmten Umständen gereicht es Unternehmen daher zum Vorteil, ihre ausländische Identität herauszustellen, anstatt sie abzulegen.
Kurzum, Sie müssen die richtige Mischung aus Markenidentität und lokaler Attraktivität finden und Ihr Branding dementsprechend anpassen.
4. Juristische Faktoren nicht vergessen
Bei der Lokalisierung für den chinesischen Markt sind einige gesetzliche Anforderungen zu beachten. So gibt die Volksrepublik China seit langer Zeit vor, dass Mandarin die offizielle Amtssprache ist und vereinfachtes Chinesisch die geforderte Schriftform. Dementsprechend muss sämtliches Marketingmaterial für Festlandchina diese Vorschrift einhalten. Darüber hinaus müssen alle Markennamen oder Slogans, die Sie in Betracht ziehen, auf Markenrechts- oder Gebietsverletzungen in den relevanten Dialekten geprüft werden.
5. Effektive Marktforschung betreiben
Wer in China Fuß fassen möchte, muss sich zuvor mit den Spielregeln dieses Marktes vertraut machen und danach unvoreingenommen und anpassungsfähig sein. Dies gilt für alles, was oben schon erwähnt wurde: die Eigenheiten der Dialekte, in die Sie lokalisieren, Vorlieben und empfindliche Punkte der Verbraucher, potenzielle juristische Fallstricke und kulturelle Überlegungen.
Unternehmen sollten keinesfalls auf gut Glück agieren, sondern ihre Zielmärkte gründlich erkunden. Nutzen Sie Fallstudien und sogar Fokusgruppen, um zu ergründen, was den Erfolg des jeweiligen Produkts oder Service unterstützen würde. Auch der Kontakt zur breiten Bevölkerung hilft: Manche Unternehmen befragen Bürger auf der Straße oder verteilen Proben, um die Reaktion der Zielgruppe zu testen, bevor sie entscheiden, welche Produkte oder Services im jeweiligen Markt eingeführt werden. Strategische Entscheidungen wirken sich in China ebenso stark aus wie anderswo, doch worauf sie abzielen und wie Sie damit den Erfolg ins Visier nehmen, dass können Sie nur anhand von relevanten und spezifischen Daten festlegen.
6. Lokale Technologien nutzen
Sich auf relevante linguistische Fragen und das Benutzungserlebnis für chinesischsprachige Verbraucher zu konzentrieren, ist von wesentlicher, aber nicht alleiniger Bedeutung. Berücksichtigen Sie auch, dass Sie lokale Webportale und Social-Media-Plattformen ermitteln und für sich nutzen müssen – mit optimal angepasstem Content.
Betrachten Sie Ihre digitale Präsenz als Herzstück Ihrer Markteinführungsstrategie für China und chinesischsprachige Zielgruppen. Beispielsweise müssen Sie also Ihren Content für die mit 70 % Marktanteil wichtigste Suchmaschine Chinas – Baidu – und ihre schärfste Konkurrenz Sogou optimieren. Sie müssen wissen, dass viele der in westlichen Ländern gängigen Suchmaschinen in China nicht nur unbeliebt sind – sie sind sogar offiziell verboten.
In diesem Sinne sollten auch nicht westliche Social-Media-Plattformen, sondern chinesische im Zentrum Ihrer Aufmerksamkeit stehen. Zu nennen sind hier Qzone, Renren und P1. Ebenfalls empfehlenswert ist die Präsenz in Verbraucherforen, die im Gegensatz zum Westen in China immer noch recht populär sind. Unter ihnen stechen Tieba von Baidu sowie Sohu, Sina und 163 hervor. Der Erfolg Ihres Einstiegs in chinesischsprachige Märkte steht und fällt mit der Entscheidung, wo Sie neben Ihren stationären Geschäften auch online präsent sein sollen.
7. Aus früheren Erfolgen und Fehlern lernen
Es kann auch hilfreich sein, herauszufinden, was andere ausländische Unternehmen beim Einstieg in chinesischsprachige Märkte gut gemeistert haben oder was ihren Erfolg verhindert hat. Dunkin‘ Donuts‘ erster Versuch in China im Jahr 1994 fand kein Echo – trotz einer Einführungskampagne, die unter anderem die kostenlose Verteilung von Donuts an Passanten umfasste. Als Dunkin‘ Donuts weniger Zucker verwendete und auf vor Ort beliebte Geschmacksrichtungen wie Melone oder Mochi setzte, stellten sich erste Erfolge ein. Doch erst mit der Überarbeitung des gesamten Konzepts fasste das Unternehmen richtig Fuß. Schließlich erkannte das Unternehmen, dass die generische Fast-Food-Anmutung seiner Filialen den Erfolg hemmte. Gestaltet im Café-Stil boten sie größeres Umsatzpotenzial. Das liegt wahrscheinlich daran, dass chinesische Konsumenten in ihrer Teetrinkerkultur den Kaffeegenuss als weltgewandte und gehobene Wahl betrachten. Darauf kam das Unternehmen allerdings erst nach ganzen elf Jahren!
Ein weiteres Beispiel ist IKEA. Nach der Markteinführung in Shanghai im Jahr 1998 zeigte sich, dass es sich die chinesischen Kunden gern in den Wohnlandschaften der Filialen bequem machten und dort sogar Nickerchen machten. Zunächst reagierte das Unternehmen restriktiv: Es ließ die Mitarbeiter regelmäßig herumgehen und die Sitzenden bzw. Liegenden zum Weitergehen bitten. Irgendwann jedoch erkannte das Unternehmen, dass dieses Verhalten typisch ist für chinesische Verbraucher. Sie betrachten das Shoppen nicht nur als zielgerichtete Tätigkeit, sondern als Form der Freizeitgestaltung. IKEA ging auf dieses Phänomen ein. Das Unternehmen arrangierte sogar Wohnlandschaften zur Ausstellung in Flughäfen und Einkaufszentren und lud Passanten ein, sie nach Gutdünken zu nutzen.
Nun ist der Anfang in einem neuen Markt bekanntermaßen immer eine Herausforderung. Doch die Lokalisierung für eine Geschäftswelt, die sich durch enorme sprachliche Vielfalt, sehr spezielles Verbraucherverhalten sowie einzigartige gesellschaftliche und politische Hintergründe auszeichnet, ist eine Mammutaufgabe.
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