Warum Content in amerikanischem Englisch für den britischen Markt angepasst werden sollte

Lee Densmer 18. Nov. 2020
Warum Content in amerikanischem Englisch für den britischen Markt angepasst werden sollte
Im amerikanischen Englisch gibt es nur wenige Aus­drücke, die bei Briten wirk­lich für Stirn­runzeln sorgen. Dies ist der welt­weiten Ver­breitung ame­rikanischer Pop­kultur zu ver­danken: Musik, Filme und Fern­sehen finden auf der Insel auf der dieser Seite des Atlantiks ein großes Echo. Dies gilt sogar für Sport­metaphern, obwohl die meisten Briten nur wenig über US-Sport­arten wissen. Warum also soll­te man sich die Mühe machen, Content sowohl im ame­rikanischen als auch im britischen Englisch bereit­zustellen, wenn die Sprach­varianten doch auf praktisch keine Ver­ständnis­barrieren treffen?

Was ist „richtiges“ Englisch?

Einer stereo­typen Vor­stellung zufolge zeigen Briten selten emotionale Er­regung, doch tat­sächlich ist man im Vereinigten Königreich sehr stolz auf die eng­lische Sprache. Kommen Briten und Amerikaner zu­sammen, dauert es meist nicht lange, bis (in der Regel) nicht ganz ernst ge­meint darüber ge­stritten wird, was denn nun „richtiges“ Eng­lisch sei. Briten ver­weisen dann gern darauf, dass Eng­lisch ja auf ihrer Insel „er­funden“ worden sei, während Ame­rikaner be­tonen, dass ihre Variante eine viel „logischere“ Ortho­grafie habe. Auch die glo­bale Be­deutung des US-Englisch und der ame­rikanischen Kultur wird häufig als Argu­ment angeführt. In privater Umgebung dienen solche Unter­schiede oft als scherz­hafter Ge­sprächs­einstieg, in der Geschäfts­welt hin­gegen können sie durch­aus negative Konse­quenzen haben, denn Kunden merken schnell, ob eine Website auf sie und ihre Er­wartungen zu­geschnitten wurde oder nicht. Dabei spielt es dann auch keine Rolle, dass die eng­lischen Dia­lekte Schott­lands oder Nord­englands weiter von der Sprache der Queen ent­fernt sind als das Eng­lisch, das man in Brooklyn (oder gar Queens) spricht. Viele britische Ver­braucher wissen diese Würdi­gung ihrer Identität zu schätzen, wenn unter den Sprach­optionen einer Web­site neben der US-Flagge auch der Union Jack erscheint.

Anpassung in beide Richtungen

Dass britisches Englisch für ein ame­rikanisches Pub­likum auf­bereitet wird, ist längst gang und gäbe. So war die britische Fernseh­serie „The Office“ – im Deutschen als „Stromberg“ adaptiert – vor allem des­halb erfolg­reich, weil darin viele Slang­ausdrücke und pop­kulturelle An­spielungen von der Insel vor­kamen. Für das ame­rikanische Fern­sehen mussten die Dreh­bücher jedoch fast voll­ständig um­geschrieben werden. Nach gründ­licher Über­arbeitung funk­tionierten In­halt und Humor der Serie auch in den USA sehr gut. Briten zeigten sich an­gesichts der amerikanischen Adaption dagegen eher irritiert. Umgekehrt schien eine britische Version etwa von „Friends“ oder „South Park“ völlig über­flüssig, ja sogar absurd, denn das ame­rikanische Englisch und die ame­rikanische Pop­kultur sind in Groß­britannien fast jedem geläufig. Dasselbe gilt für Online-Content. Wenn britische Kun­den ein Häkchen in ein Kontroll­kästchen setzen, um die Geschäfts­bedingungen zu ak­zeptieren, ver­wenden sie dafür zwar das Wort „tick“, aber niemand wird sich wundern, wenn er statt­dessen „check“ liest. Das unter­schiedliche Vokabular ist hier nicht der ausschlag­gebend – viele klassische Unter­schiede zwischen dem ame­rikanischen und britischen Englisch ver­schwimmen ohne­hin zu­sehends, da immer mehr Online-Content über den Großen Teich schwappt. Die Auf­bereitung von Content für ein britisches Ziel­publikum ist folg­lich weniger eine Frage der sprach­lichen Not­wendigkeit als vielmehr ein Zeichen der An­erkennung der kulturellen Differenz und der Wert­schätzung gegen­über britischen Kunden.

Mitunter ist eine Anpassung unumgänglich

Wenigstens in einem Bereichen stößt die gegen­seitige sprach­liche Ver­ständlichkeit dann aber doch an Grenzen: Koch­rezepte und Kulinarisches. Die meisten Briten, die auf amerikanischen Web­sites nach Koch­anregungen suchen, wissen mit Maß­einheiten wie Cup nichts an­zufangen. Auch typisch ame­rikanische Be­zeichnungen für Küchen­gerätschaften wie „broiler“ (Brat­rost) oder „skillet“ (Brat­pfanne) sind in Groß­britannien weit­gehend un­bekannt. Diese Bei­spiele ver­weisen auf einen der Haupt­gründe, warum eine Content-Anpassung an den britischen Markt sinn­voll ist: die Optimierung von Such­maschinen­ergebnissen. Wer im Vereinigten Königreich (oder englisch­sprachigen Kunden anders­wo in Europa) Koch­geschirr ver­kaufen will, sollte wissen, dass Kun­den eher nach „frying pan“, „slow cooker“ und „cling film“ als nach „skillet“, „crock pot“ und „plastic wrap“ suchen, wenn sie eine Brat­pfanne, einen Schon­garer bzw. Frischhalte­folie be­nötigen. Wer also die britischen Ent­sprechungen kennt und in seinen nach SEO-Prinzipien auf­bereiteten Content einbaut, erhöht das Ranking seiner Website in Großbritannien. Beispiele für Unter­nehmen, die ihrer britischen Kund­schaft mit solchen sub­tilen An­passungen entgegen­gekommen sind, gibt es viele. Amazons Einkaufs­wagen heißt in den USA „cart“, im Vereinigten König­reich aber „basket“. Außer-Haus-Lokale, Tank­stellen und Park­plätze werden ame­rikanischen Google Maps-Nutzern als „takeout“, „gas station“ und „parking lot“ an­gezeigt, britischen Nutzern dagegen als „takeaway“, „petrol station“ und „parking“. Und die Landing-Page von eBay mag überall ähnlich aus­sehen, unter­scheidet sich aber sprach­lich: Briten finden in der Elektronik-Kategorie „mobile phones“, Amerikaner dagegen „cell phones“. Im Haus-und-Garten-Segment wird Briten Zu­behör für den „garden“ an­geboten, Amerikanern allerlei Geräts­chaften für den „backyard“.

Wie sieht die Zukunft aus?

Amerikanisches und britisches Englisch werden sich in der Zu­kunft weiter­hin eigen­ständig ent­wickeln, aber zugleich auch in einigen Be­reichen gegen­seitig be­einflussen und einander annähern. Popkultur ver­breitet sich rasend schnell und mit ihr auch neue Wörter und Aus­drücke, die beider­seits des Atlantiks auf­kommen. In der Folge ver­schmelzen Elemente beider Varianten des Englischen zu einer globalen Sprache. Die An­passung von US-amerikanischem Content an britische Kunden ist keine Über­setzung im klassischen Sinne, denn die Ziel­gruppe ver­steht das Original be­reits. Doch wer sich die Mühe macht, solchen Content an die sprach­lichen Ge­pflogen­heiten im Vereinigten König­reich an­zupassen, wird mit besseren SEO-Ergebnissen be­lohnt und hinter­lässt dank einem optimierten Be­nutzungs­erlebnis zugleich einen guten Ein­druck bei britischen Kunden. Wir bedanken uns bei Andy Jarosz, RWS Moravia Content Strategist, für seinen Beitrag zu diesem Thema.
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Lee Densmer

Lee Densmer ist seit 2001 in der Lokalisierungsbranche tätig. Sie begann als Projektmanagerin und wechselte dann zu Lösungsarchitektur und Marketing-Management. Wie viele Lokalisierungsexperten kam auch sie durch ihr Sprachinteresse und ihre linguistische Ausbildung zu diesem Bereich. Sie hat einen Master-Abschluss in Linguistik von der University of Colorado. Lee Densmer lebt in Idaho und unternimmt gern Auslandsreisen und Ausflüge in die umliegenden Berge.
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