Die meisten von uns haben wahrscheinlich noch nie von maschineller Übersetzung (Machine Translation, MT) für Gebärdensprache gehört. Tatsächlich handelt es sich dabei aber um eine spannende technische Entwicklung, die Gehörlosen und Schwerhörigen die Kommunikation mit Menschen ohne Hörverlust erleichtert, denn Letztere beherrschen zumeist keine Gebärdensprache. MT-Systeme für Gebärdensprache können Gebärden automatisch in geschriebene oder gesprochene Sprache und diese wiederum in Gebärden übersetzen, ohne dass dazu ein menschlicher Dolmetscher benötigt wird.
Entsprechende Technologien gibt es seit den 1970er-Jahren, doch erwies sich deren Optimierung für die Entwickler als schwierig, da sich Gebärdensprachen im Aufbau stark von gesprochenen Sprachen unterscheiden.
In diesem Artikel möchten wir Ihnen einige ältere sowie neuere MT-Entwicklungen präsentieren.
Der Gebärdenhandschuh
Die Geschichte des „sprechenden Handschuhs“
1988 erfanden zwei Forscher an der Stanford University in Kalifornien, James Kramer und Larry Leifer, den ersten „sprechenden Handschuh“, um die Verständigung zwischen Gehörlosen und Hörenden zu erleichtern. Der Handschuh übersetzt die Gebärden einer Person sofort in geschriebene oder gesprochene Sprache.
2001 schuf ein Highschool-Schüler namens Ryan Patterson einen Gebärdenhandschuh der nächsten Generation mit Sensoren an jedem Finger. Die Gebärden des Handschuhträgers werden dadurch direkt in Bildschirmtext übertragen. Perfekt war die Erfindung nicht: Der Handschuh konnte nur einzelne Buchstaben aus dem amerikanischen Fingeralphabet wiedergeben. Dennoch fand er einige Beachtung und wurde viel gelobt.
Ähnliche Arten von Handschuhen wurden überall auf der Welt entwickelt, aber keiner davon konnte präzise genug übersetzen und schaffte den Sprung auf den kommerziellen Markt.
2016 entwickelten die beiden Studenten Thomas Pryor und Navid Azodi einen besonders ergonomischen Handschuh, der Gebärden in geschriebene oder gesprochene Sprache übersetzt und mithilfe von Bluetooth überträgt. Das Ergebnis kann dann über einen Lautsprecher laut ausgegeben werden. Dieser sogenannte
SignAloud Glove rief in den USA landesweit großes Interesse hervor
Die Kontroverse um Gebärdenhandschuhe
Trotz dieser technischen Fortschritte kamen alle bislang entwickelten Gebärdenhandschuhe weder in der Gehörlosen-Community noch in der Sprachwissenschaft gut an. Viele Erfinder befragten gar keine Gehörlosen zu ihren Bedürfnissen, sondern schufen ein Produkt, das eher auf die Präferenzen der Hörenden ausgerichtet ist. Gehörlose sollen den Handschuh nutzen, damit Menschen ohne Hörverlust sie leichter verstehen können. Diese Art der Kommunikation funktioniert aber nur in eine Richtung, denn der Handschuh übersetzt das, was die hörende Person sagt, nicht in Gebärdensprache.
Entwickler und Techniker müssen daher künftig mit der Gehörlosen-Community zusammenarbeiten, damit sie deren Anforderungen und Wünsche bezüglich maschineller Übersetzung einbeziehen können. Schließlich sollten diese Technologien gehörlosen Anwendern ebenso viele Vorteile bringen wie hörenden Anwendern.
Weitere Technologien
Zum Glück gibt es im Bereich der maschinellen Übersetzung für Gebärdensprache einige spannende Neuentwicklungen. Innovative Unternehmen arbeiten an Produkten, die gehörlosen Anwendern gleichermaßen zugutekommen wie hörenden.
Hier zwei Unternehmen mit bemerkenswerten Produkten, die weltweit positiv aufgenommen wurden:
SignAll
SignAll 1.0 ist das weltweit erste Produkt, das eine Echtzeit-Kommunikation zwischen gehörlosen Gebärdensprachanwendern und hörenden Sprechern ermöglicht, und zwar mittels einer automatisierten Technologie für die amerikanische Gebärdensprache (American Sign Language, ASL).
Die Kommunikation läuft über einen Chatbildschirm, der sowohl ASL als auch gesprochenes Englisch versteht, sodass der gehörlose und der hörende Anwender jeweils ihre eigene Sprache verwenden können. Und so funktioniert das leistungsstarke System: Es gibt zwei Monitore, einen für den Gehörlosen und einen für den Hörenden. Der gehörlose Anwender muss ein Paar Handschuhe tragen und vor Kameras Gebärdensprache verwenden. Die Gebärden werden dann in Text übersetzt, der vom hörenden Anwender gelesen werden kann. Dessen Antwort wiederum wird mithilfe eines automatischen Spracherkennungssystems in Schriftsprache übertragen, die der Gehörlose lesen kann.
Das SignAll-System ist für den Einsatz im Geschäftsalltag und im Bildungswesen vorgesehen. Es beseitigt somit Barrieren für gehörlose Mitarbeiter am Arbeitsplatz und ermöglicht Unternehmen einen besseren Service für gehörlose Kunden. Außerdem kann es die Kommunikation unter Freunden oder in der Familie erleichtern.
KinTrans
KinTrans ist ein Start-up-Unternehmen mit Sitz in Dallas (Texas, USA) und entwickelt derzeit MT-Software, die Gebärdensprache in gesprochene Sprache übersetzen kann.
Die hochmoderne Technologie besteht aus einer 3D-Videokamera mit Bewegungserkennung, die die Gesten und die Körpersprache eines Gebärdensprachanwenders verfolgt. Anschließend werden die Gebärden übersetzt und sowohl laut als auch in Form von Bildschirmtext ausgegeben.
Eine reale Anwendung könnte in etwa so aussehen: Eine gehörlose Person betritt ein Geschäft, stellt sich vor das Gerät und kommuniziert in Gebärdensprache. Das Gerät übersetzt das Gesagte und die hörende Person kann eine Antwort eingeben, die von einem animierten Avatar auf dem Bildschirm in Gebärdensprache wiedergegeben wird. Der große Vorteil dieser Technologie ist, dass sie sowohl für die Community der Gehörlosen als auch für Menschen ohne Hörverlust nützlich ist.
Die KinTrans-Technologie ist für den Einsatz in Einkaufszentren, Flughäfen, Hotels und Krankenhäusern konzipiert. Aktuell wird sie im Servicebereich von Behörden sowie in einer Bank in Dubai getestet. Das System kann Tausende Zeichen in amerikanischer und arabischer Gebärdensprache mit einer Genauigkeit von 98 % erkennen. Künftig sollen auch die portugiesische und die indisch-pakistanische Gebärdensprache unterstützt werden.
Die maschinelle Übersetzung für Gebärdensprache hat seit ihren Anfängen in den 70er-Jahren große Fortschritte gemacht. Glücklicherweise sind die Entwickler neuerer Technologien neben den Bedürfnissen hörender Anwender auch stärker auf jene gehörloser Anwender eingegangen.
Mit zunehmendem technischen Fortschritt wird auch vermehrt künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen, um den Austausch zwischen Gehörlosen und Menschen ohne Gebärdensprachkenntnisse zu ermöglichen und zu erleichtern. Bessere Technologie wird bei Gehörlosen auf größere Akzeptanz stoßen und sobald die Systeme präzise und konsistente Übersetzungen liefern, schafft dies das nötige Vertrauen bei den Anwendern. Damit entfallen Barrieren für die selbstständige Alltagsgestaltung und die einfache Kommunikation mit anderen Menschen. Darüber hinaus kann diese Art der Technologie völlig neue Möglichkeiten für Unternehmen schaffen, mit gehörlosen Kunden in Verbindung zu treten und deren Kundenerlebnis verbessern.
Wir beschäftigen uns mit Kommunikation in all ihren Formen.
Sprechen Sie uns an, wir finden die Lösung für ihre Anforderungen.