Maschinelle Übersetzung gestern, heute und morgen – mit Alex Zekakis von XTM

Lee Densmer 11. Nov. 2020
Maschinelle Übersetzung gestern, heute und morgen – mit Alex Zekakis von XTM
Immer mehr Unternehmen weiten heut­zutage ihre Präsenz auf globale Märkte aus, dem­ent­sprechend werden Über­setzungen immer wichtiger. Inter­nationaler Er­folg setzt eine effektive Kommunikation mit Partnern, Mit­arbeitern und Kunden über Sprach- und Kultur­grenzen hinweg voraus. Allerdings steht die derzeit noch stark auf manuellen Pro­zessen basierende Über­setzungs­branche vor einer großen Ver­änderung, da der tech­nische Fort­schritt immer leistungs­fähigere und zu­verlässigere Pro­zesse der maschinellen Über­setzung (MT) ermöglicht. Alex Zekakis, Global Solutions Architect Manager bei XTM International und Gast im Podcast Globally Speaking Radio, arbeitet seit elf Jahren in der Lo­kalisierungs­branche. Er nutzt seine Er­fahrung in den Be­reichen Technologie, Kommunikation und Projekt­management, um Lösungen für Kunden zu ent­wickeln, die Content lokalisieren.

Der Aufstieg der maschinellen Übersetzung

Maschinelle Übersetzung ist durchaus kein neues Phänomen – schon 1954 wurde sie erstmals der Öffent­lichkeit prä­sentiert. Das damals noch rudimentäre Sys­tem war zwar auf einen Über­setzungs­umfang von gerade einmal 250 Wörtern beschränkt, dennoch stieß es Jahr­zehnte der Forschung zu voll auto­matisierter Kommunikation an. Zurück ins Hier und Jetzt: Mittler­weile führt um das Thema maschinelle Über­setzung kein Weg mehr herum. Selbst der früher un­zuverlässige Google Übersetzer liefert längst keine hölzernen wört­lichen Über­setzungen mehr, sondern präzise Er­gebnisse, die Be­nutzern in aller Welt weiter­helfen. „Das Besondere an der Übersetzungs­branche ist, dass sie im Großen und Ganzen anderen Trends folgt. Wir sind stark von der Ent­wicklung anderer Branchen be­einflusst. Und wir greifen diese Trends ziem­lich schnell auf“, erläutert Zekakis. Als beispiels­weise Unter­nehmen be­gannen, auf Cloud Computing um­zusteigen, folgte die Über­setzungs­branche auf dem Fuß. Zekakis: „Wer neue Technologie einführt, führt eine neue Maschine ein. Das gilt umso mehr im Bereich der maschinellen Übersetzung.“ Viele Übersetzungs­firmen und globale Unter­nehmen nutzen heute auto­matisierte Über­setzungs­tools, und dafür gibt es mehrere gute Gründe.

Die Vorteile der maschinellen Übersetzung

In der Geschäfts­welt steigt die Nach­frage nach Über­setzungen ex­ponentiell, und diese gewaltigen Text- und Daten­mengen über­steigen schlicht die Kapazitäten menschlicher Über­setzer. Der größte Vor­teil der maschinellen Über­setzung liegt somit klar auf der Hand: Es ist die Effizienz, mit der sie Ergebnisse liefert. „Wenn ein Mensch 2.000 Wörter am Tag schafft und eine MT-Engine 100.000, dann bräuchte man für dasselbe Volumen 50 menschliche Übersetzer“, so Zekakis. „So viele Übersetzer ließen sich wohl kaum auf­treiben, von den Kosten ganz zu schweigen.“ Diese deutliche Pro­duktivitäts­steigerung durch auto­matisierte Über­setzung ist für viele Unter­nehmen ein schlagendes Argument. Dadurch lassen sich Über­setzungen in viele Sprachen in Echt­zeit be­wältigen und zu­gleich Kosten und Vor­lauf­zeiten reduzieren. Hinzu kommt, dass sich pro­fessionelle Über­setzer in der Regel auf ein be­stimmtes Gebiet spezialisieren, wohingegen die maschinelle Über­setzung alles an­bieten kann. Allerdings sollte man die maschinelle Über­setzung als lang­fristige In­vestition be­trachten. Die Kosten mögen zunächst einmal be­trächtlich sein, zahlen sich jedoch mehr als aus. Mit der Zeit kann die MT-Engine so trainiert werden, dass sie immer bessere und text­übergreifend ein­heitlichere Er­gebnisse liefert.

Die Ängste menschlicher Übersetzer

Angesichts der kontinuierlichen Auto­matisierungs­fortschritte stellt sich na­türlich die Frage, welche Aus­wirkungen dies für menschliche Über­setzer haben wird und ob eine Maschine jemals ein­wand­freie Er­gebnisse liefern kann. Denn trotz aller Qualitäts­sprünge ist MT noch weit davon entfernt, menschlichen Übersetzern das Wasser zu reichen. Alex Zekakis schätzt die Lage wie folgt ein: „Die Mensch-gegen-Maschine-Debatte ist meiner Meinung nach nichtig. Ich gehe nicht davon aus, dass Menschen durch Maschinen ersetzt werden. Ich denke eher, dass Maschinen ihren Beitrag zur Unter­stützung des Menschen leisten werden.“ Schon während seiner Zeit als Dozent für Technische Kommunikation und Lokalisierung an der Universität Straßburg be­fasste sich Zekakis mit dieser Frage. Nahe­liegender­weise hinter­fragten seine Stu­dierenden ihre Chancen auf dem Arbeits­markt. Zekakis er­widerte, dass keine Branche jemals voll­ständig auto­matisiert wer­den könne – dies ist schlicht nicht möglich. „Berufe sind glück­licher­weise an­passungs­fähig. Wer früher auf eine bestimmte Art und Weise über­setzt hat, muss nun eine andere Art des Über­setzens lernen. Aber über­flüssig wird dadurch niemand. Menschen werden immer Teil des Prozesses sein.“ Automatisierte Fabriken brauchen immer noch Vor­arbeiter, autonome Fahrzeuge ver­langen nach wie vor Zu­arbeit durch Menschen, und maschinelle Über­setzungs­projekte werden auch künftig nicht ohne Linguisten auskommen. Sprache ist einfach zu komplex und viel­deutig, zudem gibt es keine sprach­liche Regel ohne Aus­nahme. Hinzu kommen kulturelle Nuancen, die jede künst­liche Intelligenz vor ge­waltige Heraus­forderungen stellen. Übersetzer finden derweil neue Auf­gaben als Post-Editoren. Mit ihren wert­vollen Bei­trägen ver­bessern sie die MT-Ausgabe, was die maschinelle Über­setzung für Unter­nehmen noch attraktiver und kosten­günstiger macht. Alex Zekakis zufolge sind maschinelle Über­setzung und Human-Über­setzung keine Frage des Entweder-Oder, vielmehr geht es um ein Zusammen­spiel beider, um qua­litativ hoch­wertigere Resultate zu erzielen. Wer also glaubt, er müsse sich zwischen beiden entscheiden, liegt völlig falsch. „Es besteht die Aussicht auf eine enge Zusammen­arbeit von Mensch und Maschine“, betont Zekakis.

Die Zukunft: Zusammen­arbeit von Mensch und Maschine

Eine effektive Über­setzung von Content für eine globale Ziel­gruppe setzt voraus, dass maschinelle Über­setzung und menschliche Beiträge naht­los in­einander­greifen. Unter­nehmen sollten sich bewusst machen, dass hier zwei sehr unter­schiedliche Aspekte zu be­achten sind: MT-Engines über­setzen große Text­mengen mit beispiel­loser Effizienz, aber Menschen sind in der Lage, den Kontext richtig zu­zuordnen und Bot­schaften empathisch zu deuten. „Als Grund­voraussetzung sollten wir uns darauf ein­stellen, dass sich die Branche kon­tinuierlich ver­ändern wird, und bereit sein, flexibel dazu­zulernen. Kein Prozess in dieser Branche ist in Stein ge­meißelt. Die Branche ist noch recht jung, dem­entsprechend können wir ihr ganzes Potenzial noch nicht ein­schätzen. Wir sollten jedoch auf unsere An­passungs­fähigkeit vertrauen.“ Die eindrucks­vollen Fort­schritte, die die maschinelle Über­setzung im Laufe der Zeit ge­macht hat, legen nahe, dass es auch in den kommenden Jahr­zehnten weitere große Neuerungen geben wird. Was auch immer die Zu­kunft bringen mag, die voran­schreitende Auto­matisierung wird menschliche Über­setzungs­fähigkeiten immer nur er­gänzen, aber nicht infrage stellen oder er­setzen können. Gleich­zeitig werden globale Unter­nehmen von einer besseren Über­setzungs­qualität und optimierten Lo­kalisierungs-Workflows profitieren.   Hier steht die ganze Folge für Sie bereit. Wenn Sie über künftige Folgen auf dem Laufenden bleiben möchten, abonnieren Sie hier den Podcast. Der Podcast steht in englischer Sprache zur Verfügung
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Lee Densmer

Lee Densmer ist seit 2001 in der Lokalisierungsbranche tätig. Sie begann als Projektmanagerin und wechselte dann zu Lösungsarchitektur und Marketing-Management. Wie viele Lokalisierungsexperten kam auch sie durch ihr Sprachinteresse und ihre linguistische Ausbildung zu diesem Bereich. Sie hat einen Master-Abschluss in Linguistik von der University of Colorado. Lee Densmer lebt in Idaho und unternimmt gern Auslandsreisen und Ausflüge in die umliegenden Berge.
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